Verträge von Schönbrunn und Paris. 229 die französischen Heersäulen den Staat in wenigen Wochen überrennen. Oesterreich hatte seinen Frieden geschlossen; der Czar hielt sich zurück, stellte seinem Freunde anheim sich wohl oder übel mit der Uebermacht abzufinden. Auch von England stand rasche Hilfe nicht zu erwarten; dem großen Pitt war das Herz gebrochen nach dem Tage von Austerlitz, nach seinem Tode schwankte die britische Politik eine Zeit lang unsicher umher. Alle Generale, selbst der grimmige Franzosenfeind Rüchel, er— klärten den Widerstand für unmöglich; Hardenberg aber, in tiefster Seele erschüttert und empört, überließ die Entscheidung dem Könige, da ja die Minister noch keine selbständige Verantwortlichkeit trugen. Friedrich Wilhelm entschied wie er mußte; er genehmigte den Pariser Vertrag. So jammervoll verlief der erste Versuch die bequeme Baseler Neu- tralitätspolitik zu verlassen. Die Coalition war durch den Vorwitz des Czaren und den Kleinmuth des Kaisers Franz zerstört, das isolirte Preußen durch Napoleon aus einer falschen Stellung in die andere gelockt und endlich zu Gnaden und Ungnaden unterworfen worden. Unter den Ver- wünschungen der Hannoveraner wurden die schwarzen Adler an die Thore der alten Welfenstädte angeschlagen; ungehört verhallten die Klagen der getreuen Ansbacher, die in verzweifelten Adressen den König baten, er möge sie nicht verstoßen. Aber mitten in dieser Demüthigung zeigten sich schon die ersten Spuren einer sittlichen Widerstandskraft, die in den trägen Jahren des friedlichen Behagens ganz entschwunden schien. Während des Winters war die alte unbelehrbare Selbstgefälligkeit oft sehr prahlerisch hervorgetreten; noch im Januar konnte ein begabter, thatenlustiger Offizier wie der junge Bardeleben triumphirend schreiben: „wir haben das Glück des Friedens mit großem, wahrem Ruhme herbeigeführt!“ Nach dem Pariser Vertrage schlug die Stimmung um. Unter den aufgeklärten Publicisten der Hauptstadt fanden sich zwar einige pfiffige Köpfe, die den König lobten, weil er ohne Schwertstreich eine schöne Provinz gewonnen habe. Der Adel dagegen und das Heer empfanden mit Unmuth, daß die Glorie der fridericianischen Zeiten dahin war; tiefere Naturen wie Gneisenau sahen den Entscheidungskampf mit schnellen Schritten heranrücken und setzten ihre Hoffnung auf ein Bündniß der zwei deutschen Großmächte. Niemand fühlte den Schimpf schwerer als die ehrliche Natur des Königs. Er erklärte seinen Vertrauten rund heraus: der Pariser Vertrag sei nicht bindend, sei durch Lug und Trug erschlichen, die Pflicht gebiete bei dem nächsten Uebergriffe Frankreichs das Schwert zu ziehen. Während der Schützling Napoleon's Haugwitz die amtliche Leitung der auswärtigen Angelegenheiten übernahm und den Staat im Fahrwasser der französischen Allianz steuerte, blieb Hardenberg der vertraute Rathgeber des Königs und knüpfte, in der Voraussicht des nahen Krieges, insgeheim die Verbindung mit Rußland wieder an. Auch diesem Hoffnungsvollen waren jetzt die Augen aufgegangen. Er hatte an den politischen Sünden der