232 I. 2. Revolution und Fremdherrschaft. krieg Frankreichs ein Heer von 63,000 Mann zur Verfügung. Unbedingte Unterwerfung in Sachen der europäischen Politik und ebenso unbeschränkte Souveränität im Innern — das waren die beiden aus gründlicher Kennt- niß des deutschen Fürstenstandes geschöpften leitenden Gedanken der Rhein- bundsverfassung. Die Höfe ertrugen die Unterwerfung, weil sie eingepreßt zwischen Oesterreich und Frankreich eines Schutzes bedurften und auf neue Geschenke napoleonischer Gnade hofften; einige trösteten sich wohl ins- geheim mit dem Gedanken, die französische Uebermacht werde nicht ewig dauern; die Souveränität aber hielten sie sämmtlich fest als einen Schatz für alle Zeiten. Der deutsche Particularismus trat in seiner Sünden Blüthe. Napoleon versagte sich's nicht, in einem Briefe an Dalberg an den uralten Landesverrath der deutschen Kleinfürsten höhnisch zu erinnern; er nannte die Politik des Rheinbundes conservativ, denn sie stelle nur von Rechtswegen ein Schutzverhältniß her, das in der That schon seit mehreren Jahrhunderten bestanden habe. Doch zugleich schmeichelte er klug dem dynastischen Dünkel: kein Oberlehnsherr stehe mehr über den deutschen Fürsten, kein fremdes Gericht dürfe sich in ihre Landesangelegenheiten mischen; er selber übe nur die einfache Pflicht des Schutzes, die keinen höheren Zweck habe als den Verbündeten die volle Souveränität zu gewähr- leisten. Das verheißene Fundamentalstatut des Rheinbundes ist nie er- schienen, der Bundestag mit seinen zwei Räthen nie zusammengetreten; diesem Werke der rohen Gewalt fehlte von Haus aus die Fähigkeit recht- licher Weiterbildung. Dem Protector, der schon seinem zahmen gesetz- gebenden Körper in Paris ein unwilliges vous chicanez le pouvoir! zurief, lag wenig daran, auch noch durch die schwerfälligen Berathungen eines rheinischen Bundestags belästigt zu werden; ihm genügte, daß er jetzt mit den deutschen Regimentern vom linken Rheinufer an 150,000 deutsche Soldaten unter seinem Befehle hielt. Die beiden Könige des Rheinbundes aber verhehlten nicht ihren Widerwillen gegen jede bündische Unterordnung und verwarfen kurzweg alle die Pläne für den Ausbau des Bundes, welche der neue Fürstprimas Dalberg mit unerschöpflicher Be- geisterung entwarf. Das Bundesgebiet erstreckte sich vom Inn bis zum Rhein über den ganzen Südwesten, reichte dann nordwärts bis tief nach Westphalen hinein, den preußischen Staat und seine kleinen Verbündeten in weitem Bogen umklammernd; und der Artikel 39 der Rheinbundsacte kündete bereits drohend an, daß auch anderen deutschen Staaten der Eintritt vorbehalten bleibe. Was im Süden und Westen noch übrig war von kleinen Reichs- ständen wurde der Landeshoheit der sechzehn Verbündeten unterworfen: alle Fürsten und Grafen, alle Reichsritter, so viele sich in den Stürmen der jüngsten Jahre noch behauptet hatten, die beiden Ritterorden, die Reichsstädte Nürnberg und Frankfurt, zusammen ein Gebiet von 550 Ge- viertmeilen und fast fünfviertel Millionen Einwohnern. Aller Schmutz,