236 I. 2. Revolution und Fremdherrschaft. Zeit passende Einrichtung“; seine Minister jubelten, jetzt endlich sei der Schlange des ständischen Trotzes der Kopf zertreten. Auch die Krone Dänemark benutzte die Auflösung des Reichs um Holstein ihrem Gesammt— staate einzuverleiben; König Gustav nahm seinen Pommern ihr altes Landesrecht und führte die schwedische Verfassung ein. Die Anarchie eines neuen Interregnums brach über Deutschland her— ein; das Faustrecht herrschte, nicht mehr von adlichen Wegelagerern, sondern von fürstlichen Höfen gehandhabt. Mißtrauisch verfolgte Napoleon jede Regung des nationalen Gefühls in dem unterjochten Lande; Frankreichs Interesse verlangt, so schrieb er seinem Talleyrand, daß die Meinung in Deutschland getheilt bleibe. Als nun ein Ansbacher Yelin eine anonyme Flugschrift „Deutschland in seiner tiefen Erniedrigung“ herausgab — ein treugemeintes, gefühlsseliges Schriftchen, das in eiserner Zeit nur den friedlichen Rath fand: „weine laut auf, edler, biederer Deutscher!“ — da schien dem Imperator selbst dieser Stoßseufzer des harmlosen Spießbürger— thums bedenklich, und er ließ den Buchhändler Palm, der das Buch verbreitet haben sollte, standrechtlich erschießen. Es war der erste Justiz- mord des Bonapartismus auf deutschem Boden; die klugen Leute in Baiern fingen an zu zweifeln, ob der Rheinbund wirklich den Sieg der Freiheit und der Aufklärung gebracht habe. Wie anders als jener weinerliche Ansbacher wußte Friedrich Gentz zu seinem Volke zu reden! Die schönste seiner Schriften, die Fragmente aus der neuesten Geschichte des politischen Gleichgewichts verriethen freilich schon, daß der geistvolle Mann jetzt im Solde Oesterreichs schrieb; für das ehrwürdige Erzhaus hatte er nur Worte des Lobes und die offenkundigen Pläne der Hofburg gegen Baiern leugnete er kurzweg ab. Doch was wollten solche Bemäntelungen bedeuten neben der großartigen Offenheit, die hier mit flammenden Worten die letzten Gründe der deutschen Schande beleuchtete? Das alte Gleichgewicht der Mächte ist durch eine neue Welt- herrschaft zerstört; nicht Napoleon's Genie, sondern Deutschlands selbst- verschuldete Wehrlosigkeit hat das Verhängniß heraufgeführt, und die große Frage der Zukunft lautet: soll Deutschland in seinem ganzen Umfange werden, was heute schon die Hälfte davon ist, was Holland und die Schweiz und Spanien und Italien wurde? Europa ist durch Deutsch- land gefallen; durch Deutschland muß es wieder emporsteigen. Einen Retter und Rächer ruft er auf, der uns einsetze in unser ewiges Recht, der Deutschland und Europa wieder aufbaue; und mit der Wucht seines Hohnes erdrückt er die Thoren, die von Frankreich das Heil der Welt erwarten: „eben der rächende Dämon, der sie zur Strafe ihrer hoch- müthigen Plattheit durch den ganzen ermüdenden Kreis politischer Rasereien gepeitscht hat, schuf sie endlich aus Enthusiasten der Freiheit, einer scheu- seligen fieberhaften Freiheit, zu Lobrednern der vollkommensten Sklaverei, die jemals die Völker gebeugt hatte, um.“