Dritter Abschnitt. Preußens Erhebung. Schon mehrmals hatte Preußen durch das plötzliche Hervorbrechen seiner verborgenen sittlichen Kräfte die deutsche Welt in Erstaunen gesetzt: so einst, da Kurfürst Friedrich Wilhelm seinen kleinen Staat hineindrängte in die Reihe der alten Mächte; so wieder, als König Friedrich den Kampf um Schlesien wagte. Aber keine von den großen Ueberraschungen der preußischen Geschichte kam den Deutschen so unerwartet, wie die rasche und stolze Erhebung der halbzertrümmerten Großmacht nach dem tiefen Falle von Jena. Während die gefeierten Namen der alten Zeit sammt und sonders verächtlich zu den Todten geworfen wurden und in Preußen selbst Jedermann den gänzlichen Mangel an fähigem jungem Nachwuchs beklagte, schaarte sich mit einem male ein neues Geschlecht um den Thron: mächtige Charaktere, begeisterte Herzen, helle Köpfe in unabsehbarer Reihe, eine dichte Schaar von Talenten des Rathes und des Lagers, die den lite— rarischen Größen der Nation ebenbürtig zur Seite traten. Und wie einst Friedrich auf den Schlachtfeldern Böhmens nur erntete was sein Vater in mühereichen Friedenszeiten still gesäet hatte, so war auch dies schnelle Wiedererstarken der gebeugten Monarchie nur die reife Frucht der schweren Arbeit langer Jahre. Indem der Staat sich innerlich zusammenraffte, machte er sich Alles zu eigen, was Deutschlands Dichter und Denker während der letzten Jahrzehnte über Menschenwürde und Menschenfreiheit, über des Lebens sittliche Zwecke gedacht hatten. Er vertraute auf die be— freiende Macht des Geistes, ließ den vollen Strom der Ideen des neuen Deutschlands über sich hereinfluthen. Jetzt erst wurde Preußen in Wahrheit der deutsche Staat, die Besten und Kühnsten aus allen Stämmen des Vaterlandes, die letzten Deutschen sammelten sich unter den schwarzundweißen Fahnen. Der schwungvolle Idea— lismus einer lauteren Bildung wies der alten preußischen Tapferkeit und Treue neue Pflichten und Ziele, erstarkte selber in der Zucht des politischen