278 I. 3. Preußens Erhebung. gelänge, als ob er nur für das Unglück geboren sei. Als er im Königs- berger Dome die Inschriften auf den Gräbern der preußischen Herzoge las, wählte er sich den Sinnspruch für sein hartes Leben: meine Zeit in Unruhe, meine Hoffnung in Gott! Doch diese Hoffnung hielt ihn auf- recht. Niemals wollte er sich überzeugen, daß die gemeinen Seelen aus der Familie Bonaparte, die jetzt Europas Kronen trugen, wirkliche Fürsten seien, daß dies mit allem seinem Ruhm und Glanz so windige, so schwindel- hafte Abenteuer des napoleonischen Weltreichs in der vernünftigen Gottes- welt auf die Dauer bestehen könne. Niemals ließ er sich zu einer per- sönlichen Freundlichkeit gegen Napoleon herbei. Selbst Stein rieth ein- mal, den Imperator durch Schmeichelei milder zu stimmen und ihn als Pathen zur Taufe der neugeborenen Prinzessin zu laden. Aber der König wies den Gedanken weit von sich. Dagegen ging er willig und ohne Vor- behalt auf die politischen Vorschläge seines großen Ministers ein. An Stein's Gesetzen hatte er weit größeren Antheil als die Zeitgenossen wußten. Vieles was sich jetzt vollendete war ja nur die kühne Durchführung jener Reformgedanken, worüber der unentschlossene Fürst ein Jahrzehnt hindurch gebrütet hatte. Nur so werden die raschen, durchschlagenden Erfolge des einen kurzen Jahres der Stein'schen Verwaltung verständlich. Auch unter den Beamten fand der neue Minister willige Helfer. Ein Glück für ihn, daß er sein Reformwerk grade auf ostpreußischem Boden beginnen mußte. Hier wurde die Unhaltbarkeit der alten ständischen Gliede- rung besonders lebhaft empfunden, da die Provinz in ihren Köllmern einen freien nichtadlichen Grundbesitzerstand besaß; hier waren die Gebildeten, namentlich die Beamten, längst vertraut mit den freien sittlichen und poli- tischen Anschauungen, welche die beiden wirksamsten Lehrer der Königs- berger Hochschule, Kant und der soeben verstorbene Kraus, seit Jahren verbreitet hatten. Die meisten Gesetze Stein's wurden in dem ostpreu- ßischen Provinzialdepartement vorbereitet. An der Spitze dieser Behörde stand der Minister v. Schrötter, ein musterhafter Verwaltungsbeamter von erstaunlicher Thätigkeit, der sich in seinen hohen Jahren noch eine jugend- liche Empfänglichkeit für neue Gedanken bewahrt hatte; unter ihm arbeiteten Friese und Wilckens.') Ganz und gar von den Ideen Kant's erfüllt war Schön, in mancher Hinsicht ein getreuer Vertreter des stolzen, freisinnigen, gedankenreichen ostpreußischen Wesens, freilich auch ein Doctrinär der un- bedingten Freihandelslehre, zudem maßlos eitel, unfähig fremdes Verdienst bescheiden anzuerkennen und, ganz gegen die Art seines edlen Stammes, unwahrhaftig. Neben ihm wirkte Staegemann, ein hochgebildeter, kundiger Geschäftsmann von seltenem Fleiße und seltener Bescheidenheit, der seine treue Liebe zum preußischen Staate zuweilen in tief empfundenen unge- lenken Gedichten aussprach, dann Niebuhr, der geniale Gelehrte, zu reiz- *) Neuerdings nachgewiesen in dem trefflichen Buche von Ernst Meier, die Reform der Verwaltungs-Organisation unter Stein und Hardenberg, Leipzig 1881.