neue Ordnung als die alten Communen, die noch das Vetterschaftswesen selbstherrlicher Magistrate sich bewahrt hatten. Das rechte Verständniß für den Segen ihrer Freiheit erwachte den Bürgern jedoch erst während der Befreiungskriege, als die Staatsbehörden fast überall ihre Arbeit ein— stellten und jede Stadt sich selber helfen mußte. Seitdem erst kam un— serem Städtewesen eine zweite Blüthezeit, minder glänzend aber nicht weniger ehrenreich als die große Epoche der Hansa; das Schulwesen, die Armenpflege, die gemeinnützigen Stiftungen des deutschen Bürgerthums versuchten wieder zu wetteifern mit der älteren und reicheren städtischen Cultur der Romanen. Wie der erste Friedrich Wilhelm das moderne dentsche Verwaltungsbeamtenthum geschaffen hatte, so wurde Stein's Städteordnung der Ausgangspunkt für die deutsche Selbstverwaltung. Auf ihr fußten alle die neuen Gemeindegesetze, welche durch zwei Menschen— alter, so lange der Parlamentarismus noch unreif und unfertig dastand, den bewährtesten, den bestgesicherten Theil deutscher Volksfreiheit gebildet haben. Durch Stein's Reformen wurde der lebendige Gemeinsinn, die Freude am verantwortlichen politischen Handeln wieder im deutschen Bürgerthum erweckt. Ihnen danken wir, daß der deutsche constitutionelle Staat heute auf festem Boden steht, daß unsere Anschauung vom Wesen der politischen Freiheit, so oft wir auch irrten, doch nie so leer und schablonenhaft wurde wie die Doctrinen der französischen Revolution. Durch die Verluste des Tilsiter Friedens war Preußen wieder wesent— lich ein Ackerbauland geworden. Darum dachte Stein der Städteordnung so bald als möglich eine Landgemeinde-Ordnung folgen zu lassen. Ein von Schrötter und dem Ostpreußischen Provinzialdepartement verfaßter Entwurf lag bereits vollendet vor. Stein verlangte freie Landgemeinden mit Schulzen und Dorfgerichten. Die letzten und stärksten Stützen der altständischen Gesellschaftsordnung, die gutsherrliche Polizei und die Pa— trimonialgerichtsbarkeit, mußten fallen, denn Regierung könne nur von der höchsten Gewalt ausgehen. An dem althistorischen Charakter des Landrathsamtes änderten Stein's Pläne nichts; der Landrath sollte wie bisher ein Staatsdiener sein, aber zugleich ein gering besoldeter Ehren- beamter, ein Grundbesitzer aus dem Kreise selbst, der Vertrauensmann der Kreiseingesessenen. Nur der Umfang der Kreise schien dem erfahrenen Auge des Ministers zu groß für die Kräfte eines Mannes, und er er- wog bereits mit seinem Freunde Vincke die Anstellung mehrerer Landräthe in jedem Kreise; sie sollten wie die englischen Friedensrichter von Zeit zu Zeit in Quarter-Sessionen zusammentreten. Neben dem Landrathe ein Kreistag aus sämmtlichen Rittergutsbesitzern und einigen Abgeordneten der Städte und Dörfer. Die starke Vertretung des großen Grundbe- sitzes gebot sich von selbst in einem Augenblicke, da Jedermann noch be- zweifelte, ob der rohe „Rusticalstand“, die kaum erst freigewordenen Bauern überhaupt fähig seien den Kreistag zu beschicken. Auch für diese Reform