332 I. 3. Preußens Erhebung. ten trotzig, daß man sie zu der Berathung des Verfassungsentwurfes zu- ziehe.') Die pommerische Ritterschaft protestirte auf ihrem Stargarder Landtage feierlich gegen jede Abänderung der alten Landschafts-Verfassung, desgleichen gegen den Plan einer allgemeinen Einkommensteuer, während die Städte des Landes umgekehrt den König beschworen, bei seinen Plänen auszuharren, denn nur die Aufhebung der Privilegien könne die heute durch Mißmuth niedergeschlagene thätige Vaterlandsliebe wieder erwecken.) Die gesammte feudale Welt gerieth in Unruhe. Der neue brandenbur- gische Oberpräsident Sack und die Mitglieder der Potsdamer Regierung, Vincke, Maassen, Beuth, Bassewitz, durchweg eifrige Anhänger der Re- formpartei, lebten in beständiger Fehde mit den Ständen der Kurmark. Alle diese trefflichen Männer, die sich nachher sämmtlich einen ehrenvollen Platz in Preußens Annalen erworben haben, bezichtigte Marwitz der revolutionären Gesinnung. Vornehmlich Sack galt bei den Landständen als der Ausbund bureaukratischen Jacobinerthums. Und in der That stand die altväterische Schulden= und Steuerverwaltung, welche den Land- tagen noch verblieben war, schlechterdings nicht mehr im Einklang mit der neuen strafferen Organisation der Behörden; die Potsdamer Regie- rung beantragte mit vollem Rechte eine gründliche Umgestaltung der Pro- vinziallandtage und vor Allem „Ausschließung der Stände von aller Ad- ministration“.*) Der alte Kampf zwischen der monarchischen Staatsein- heit und dem altständischen Particularismus entbrannte von Neuem, und Graf Dohna fühlte sich durch das leidenschaftliche Treiben der Privilegirten so entmuthigt, daß er am Ende seiner Ministerlaufbahn rundweg aus- sprach: eine Reichsständeversammlung in solcher Lage wäre das Verderben des königlichen Hauses. In keinem Lande Europas, schloß er bitter, seien Sinn und Bildung für höhere Staatsangelegenheiten, überhaupt alle einem tüchtigen Repräsentanten nöthigen Eigenschaften so unerhört selten wie in Preußen; dagegen fänden sich auch in keinem anderen Lande so viele vortreffliche Kräfte für das Detail der Geschäfte.)1) Allerdings war die Zeit für die Einführung constitutioneller Staats- formen noch nicht gekommen. Ein preußischer Reichstag, jetzt berufen, drohte Stein's ganzes Werk wieder in Frage zu stellen, zumal da der Freiherr selber nicht mehr mit der Wucht seiner Persönlichkeit für die Reform ein- treten konnte. Unvermeidlich mußten in einer solchen Ständeversammlung die unzufriedenen Großgrundbesitzer den Ausschlag geben, und auch das Bürgerthum bot den reformatorischen Absichten des Königs keinen sichern Rückhalt. Die Zünftler in den Städten fühlen schnell heraus, daß die Krone der Einführung der Gewerbefreiheit zusteuerte, und hielten um so *) Bericht des Oberpräsidenten Sack an Dohna, 19. Sept. 1809. **) Eingabe der hinterpommerschen Städte an den König, Stargard 28. Sept. 1809. *“F#P) Bericht der Potsdamer Regierung v. 6. Dec. 1809. Dohna an Hardenberg, 22. Aug. 1810.