348 I. 3. Preußens Erhebung. zwar seine letzte Position an der Adria, den ganzen Küstensaum bis zur Sau dem Imperator einräumen, im Westen an Baiern, im Nordosten an Warschau umfangreiche Gebiete abtreten, doch blieb ihm seine Groß- machtstellung und der Kern seiner Wehrkraft, das Land der Stephans- krone. Baiern erlangte zur Belohnung für treue Rheinbundsdienste den Besitz von Bayreuth und damit die vollständige Ausführung jenes seit Jahren in München emsig betriebenen Tauschplanes: der Kernstaat des sheinbundes gewann für die entlegenen rheinischen Provinzen, wo jetzt Murat hauste, das gesammte preußische Franken. Der Krieg war zu Ende. Der tapfere Welf durcheilte in verwegenem Zuge das Königreich Westphalen, genoß auf kurze Stunden die herzlichen Begrüßungen des treuen Völkchens in der Stadt seiner Väter und fand endlich mit seinen Schwarzen eine Zuflucht an Bord englischer Schiffe. Seine treuen Tyroler gab Kaiser Franz ebenso gleichmüthig preis, wie er sich einst von den Pflichten des deutschen Kaiserthums losgesagt hatte; diese Volksbewegung war dem mißtrauischen Despoten immer verdächtig gewesen. Die Verrathenen wollten nicht glauben, daß ihr Franz sie ver- lassen könne; wie heilig hatte er doch betheuert, er werde keinen Frieden unterzeichnen, der das Land des rothen Adlers von der Monarchie trenne! Sie widerstanden bis zum Aeußersten; erst mit der Hinrichtung Andreas Hofer's fand das unheimliche Trauerspiel seinen Abschluß. Die Erhebung der Völker Oesterreichs versank in Blut und Koth. Betrogen in seinen schönsten Hoffnungen, verekelt an allen Idealen wendete sich das leicht- lebige Volk wieder den Freuden des Sinnenlebens zu. Die Erbkrankheit des modernen Wienerthums, die pessimistische Verstimmung nahm über- hand; wer mochte noch von Ruhm und Ehre träumen, da die öster- reichische Dummheit doch nur zum Unglück bestimmt war? Nachher brachte ein schmählicher Staatsbankrott Verwirrung und Unredlichkeit in jeden Haushalt; bei Spiel und Tanz und Praterfahrten vergaß man die Noth der schweren Zeit. Die enttäuschten Sieger von Aspern erlabten sich an den Schmutzgeschichten der Briefe Eipeldauer's; von Fichte, Kleist und Arndt wußten sie nichts. Der Krieg von 1809 hatte das deutsche Blut der Oesterreicher noch einmal in Wallung gebracht; ein Jahr darauf standen sie dem Leben unserer Nation unzugänglicher, fremder gegenüber als je zuvor. So war der Boden bereitet für die Selbstherrschaft des Kaisers Franz. Der verlogene Biedermann traute sich jetzt endlich der Weisheit genug zu um die Zügel des Staates in die eigene Hand zu nehmen; war er doch immer klüger gewesen als alle die Ideologen, die ihm von der Freiheit Europas geredet. Mit der Seelenruhe der selbstgewissen Be- schränktheit stellte er nun das althabsburgische Regierungssystem wieder her, wie es vor Maria Theresia jahrhundertelang bestanden hatte. In den inneren Verhältnissen wurde grundsätzlich nichts mehr geändert; eine arg- wöhnische Polizei hielt jeden Gedanken politischer Neuerung, wie vormals