Hardenberg's Finanzpläne. 369 von England schwärmte, so dachte er auch in diesem unglücklichen Preu— ßen, dem augenblicklich alle Vorbedingungen für eine große Creditan— stalt fehlten, eine Nationalbank zu gründen und mit ihrer Hilfe die gesammten Schulden des Staates und der Provinzen zu consolidiren. Außerdem sollten zwei Anleihen, im Inlande und im Auslande, sowie die Ausgabe von 26 Mill. Thlr. Tresorscheinen dem Staate die Baarmittel zur Abtragung der Kriegsschuld verschaffen; auch einige neue Steuern waren beabsichtigt, nur nicht eine Einkommensteuer, weil „die Opinion“ gar zu laut dawider spreche. Mit schlagenden Gründen wies Niebuhr die Hohlheit dieses Planes nach: es sei ein Unglück, daß an die Vermeh— rung der Tresorscheine auch nur gedacht werde, den heiligen Verspre— chungen der Krone zuwider; und woher sollten die fünfzehn Millionen kommen, welche der Staatskanzler von seinen Anlehen erwarte? Hatte Niebuhr doch selbst soeben nach langen peinlichen Verhandlungen unter sehr demüthigenden Bedingungen eine kleine Anleihe in Holland zu Stande gebracht — die einzige, welche das Ausland während dieser ganzen Zeit der creditlosen Monarchie gewährte! Der feinfühlige Ge— lehrte war in seinem Gewissen verletzt durch die schwindelhafte Ober— flächlichkeit der Hardenbergischen Pläne; er wollte nicht sehen, daß der leichtlebige Staatskanzler auf die Einzelheiten des Entwurfs gar keinen Werth legte, und nahm zornig seinen Abschied. Auch Schön verweigerte seine Mitwirkung, da er Niebuhr's technische Bedenken theilte und nur als selbständiger, vom Staatskanzler unabhängiger Minister eintreten wollte; der consequente Kantianer dachte überdies sogleich Stein's poli— tisches Testament vollständig zu verwirklichen und schalt auf den „hanno— verschen Junker“, als Hardenberg behutsam einige Bedenken erhob. So entspannen sich gleich beim Eintritt des Staatskanzlers jene leidenschaftlichen Kämpfe im Kreise des hohen Beamtenthums, welche seit- dem bis zu Hardenberg's Tode den sicheren Gang des Staates so oft ge- fährdet haben. Schroff und hart platzten diese reichen Naturen auf ein- ander, treffliche Männer, die im Grunde Alle dasselbe wollten, aber jeder auf seine Weise. Seit Stein's Abgang fehlte der überlegene Charakter, der die Unbändigen bemeistern konnte. Die hervorragenden Talente zogen sich nach und nach von der Spitze der Regierung in die Provinzialbe- hörden zurück; der einzige Finanzmann der Monarchie, der den unge- heuren Schwierigkeiten der Lage gewachsen war, Maassen, wurde noch nicht nach seinem ganzen Werthe gewürdigt. Hardenberg fand es bald bequem, sich mit ergebenen Werkzeugen, wie Scharnweber und Jordan, zu behelfen, erlaubte auch eine Zeit lang dem wackeren jungen Gelehr- ten F. von Raumer eine Rolle zu spielen, welche weit über das Maß seines Talentes und seiner praktischen Erfahrungen hinausging. Inzwischen hatte er den König auf einer Reise nach Schlesien begleitet, dort mit Stein, in einer geheimen Zusammenkunft an der böhmischen Grenze v. Treitschke, Deutsche Geschichte. I. 24.