Gewerbefreiheit. Agrargesetze. 377 Land, auch zu den akademischen, den Schul- und Gemeindeämtern zu— gelassen. Unter den Jammerrufen der Feudalen geschah nun die große Umtaufung der preußischen Judenschaft. Die Levi, Cohn und Jacobsohn behielten ihre semitischen Namen bei, die Wolf und Kuh begnügten sich mit den Spottnamen, welche ihnen der grausame Volkshumor der Ger- manen angehängt, die Zwickauer und Bamberger nannten sich einfach nach ihrer Heimath; jene sinnige Naturen aber, die der sanfte Hauch dieser sentimentalen Epoche angeweht hatte, wählten holdere Namen um die Schönheit der Seele getreulich auszudrücken, also daß die Thüren unserer Börsen noch heute von Blümchen, Veilchen, Nelken und Rosen- zweigen dicht umrankt sind. In diesen nothwendigen socialen Neuerungen lag die Größe der Hardenbergischen Reformen. In seinen Finanzmaßregeln dagegen blieb er nach wie vor unglücklich. Den Verkauf der Domänen betrieb er mit lebhaftem Eifer, theils weil er baarer Mittel bedurfte, theils weil ihn seine doctrinären Rathgeber von der Verwerflichkeit alles Staatsgrund- besitzes überzeugt hatten: in Absicht der Domänen, schrieb F. von Raumer kurzab, ist von den Briten nur zu lernen, daß man keine haben mußl Doch woher sollten die Käufer kommen in dem verarmten Lande? Nach fünftehalb Jahren, bis zum Juni 1813 waren für verkaufte Staatsgüter nur 786,000 Thlr. baar eingegangen, dazu über 6⅛ Mill. in werth- losen Papieren. Da auch die Consumtionssteuer wenig einbrachte und bald zum Theil wieder zurückgenommen wurde, so konnte Hardenberg, der mit so hoffnungsvollen Finanzplänen begonnen, von der französischen Schuld nicht mehr abtragen als sein schwerfälliger Vorgänger Altenstein: im April 1811 war noch fast die Hälfte der Contribution, etwa 59 Mill. Fr. ungetilgt. Die neuen schweren Kriegslasten des Jahres 1812 nöthigten den Staatskanzler endlich — gegen seine theoretischen Ueberzeugungen — eine harte Vermögens= und Einkommensteuer auszuschreiben, die vom Vermögen 3 Procent, vom Einkommen 1 bis 5 Procent in Anspruch nahm. Aber auch diesmal hatte er die trostlose wirthschaftliche Erschöpfung des Landes nicht richtig geschätzt. Das Edict mußte schon nach wenigen Wochen für Altpreußen außer Kraft gesetzt werden, da diese Provinz durch den Marsch der großen Armee völlig ausgesogen wurde, und statt der ge- hofften 25 Mill. Thlr. kamen nur 4½ Mill. ein, davon 4 Mill. baar. Obgleich die socialen Reformen Hardenberg's nur durch den Willen des absoluten Königthums durchgesetzt werden konnten, so war die Krone doch nicht in der Lage, auf den Beistand popularer Kräfte ganz zu ver- zichten. Sie hatte bereits im October 1810, in dem verheißungsreichen Edict über die Finanzen, versprochen, daß eine durch Repräsentanten der Communen und Provinzen verstärkte General-Commission über die Re- gulirung der Kriegsschulden berathen solle. Die Landesdeputirten, nament- lich die Vertreter des Bürger= und Bauernstandes verlangten lebhaft die