404 I. 3. Preußens Erhebung. Stolz, daß sie nicht rheinbündnerische Vasallen, sondern das Hilfscorps eines freien Königs vor sich hätten. Die trübe, durch die jammervollen Erlebnisse dieser sechs Jahre verbitterte Stimmung der Truppen wich einem kräftigen, trotzigen Selbstgefühle, als sie in dem glänzenden Treffen von Bauske und in vielen anderen rühmlichen Gefechten die alte frideri- cianische Kühnheit und zugleich ihre Gewandtheit in den Künsten der be- weglichen neuen Taktik erprobt hatten. Die aus allen Waffengattungen gemischten Brigadeverbände bewährten sich ebenso trefflich wie die neuen Exercirreglements vom Januar 1812. ork behauptete den Herbst über seine gefährliche Position in Kurland; erst der Untergang des Hauptheeres nöthigte auch den linken Flügel zum Rückzuge. Macdonald's Corps erhielt Befehl die Trümmer der großen Armee im Rücken zu decken und den nachdrängenden Russen den Einmarsch nach Ostpreußen zu verbieten. Schon seit Wochen hatten der schlaue Italiener Paulucci und andere russische Befehlshaber den preußischen General zum Uebertritt zu bereden versucht. Immer vergeblich. Auch die patriotischen Aufrufe in dem Rigaer Zuschauer des wackeren Patrioten Garlieb Merkel ließen den Verächter der Literaten kalt. Aber dem scharfen Soldatenblicke York's entging nicht, daß sein wohlgeordnetes kleines Corps — es mochte jetzt noch an 13,000 Mann zählen — nach der Katastrophe der Hauptarmee einen ganz unge- ahnten Werth erlangte. Folgte er den Befehlen Macdonald's, so konnten die wenigen Russen, die weiter südlich schon in Ostpreußen eingedrungen waren, sich dort nicht halten, die Franzosen blieben stark genug dem rus- sischen Corps des Fürsten Wittgenstein die preußische Grenze zu sperren, und der russische Krieg endete nach menschlichem Ermessen mit einem nutz- losen Kosakenstreirzug am Niemen — freilich nur wenn das preußische Corps mit übermenschlicher Selbstverleugnung sich für seine gehaßten Bundesgenossen aufopferte. Schieden die Preußen aus dem Kriege aus, so drang das russische Heer über die deutsche Grenze hinüber, und der König — das ließ sich vermuthen — ward fortgerissen zu dem großen Entschlusse, welchen York seit Jahren ersehnte. Eine Welt von wider- sprechenden Gedanken stürmte auf den eisernen Mann ein; während der Schlacht kalt und sicher, war er vor dem Kampfe immer aufgeregt und schwarzsichtig. Sollte er seine treuen Truppen, den Kern des preußischen Heeres, preisgeben für die Rettung des Todfeindes der Deutschen oder durch einen eigenmächtigen Schritt Thron und Leben seines Königs, der noch immer in der Gewalt der Fremden war, gefährden? Sollte er jetzt, in Ehren grau geworden, nochmals dem strengen Gesetze des Krieges den Gehorsam versagen, wie einst, da der vorwitzige Knabe aus der Armee verjagt wurde, und sein Leben schimpflich auf dem Sandhaufen schließen — dder diese große Stunde des Gottesgerichts unbenützt vorüberstreichen lassen? Auf wiederholte Anfragen in Berlin kam nur die Erwiderung: er möge nach den Umständen handeln — eine Antwort, die lediglich er-