Beginn des Herbstfeldzuges. 475 so berücksichtigte auch der neue, auf Grund der Verabredungen vom Mai festgestellte Kriegsplan in erster Linie die Interessen Oesterreichs. General Toll, der fähigste Generalstabsoffizier der russischen Armee, vereinbarte am 12. Juli zu Trachenberg mit Knesebeck und dem schwedischen Kron- prinzen die Bildung dreier Heere, deren jedes aus Truppen der verschie- denen Nationen gemischt sein sollte, während Blücher umgekehrt seine Preußen unter seinem eigenen Befehle zu vereinigen wünschte. Die Haupt- armee von 235,000 Mann versammelte sich an der Nordgrenze von Böh- men unter Schwarzenberg's unmittelbarer Führung; dadurch wurde Kaiser Franz seiner schwersten Sorge ledig, eine Verlegung des Kriegsschauplatzes nach dem Innern Oesterreichs war kaum noch zu befürchten. In den Marken und an der Niederelbe stand die Nordarmee unter Bernadotte, über 150,000 Mann, in Schlesien Blücher mit 95,000 Mann. Alle drei Heere sollten die Offensive ergreifen und ihren Sammelplatz im Lager des Feindes suchen; wendete sich Napoleon von seinem Stützpunkte Dres- den aus mit überlegener Macht gegen eine der drei Armeen, so wich diese aus und die beiden anderen bedrohten ihn in Rücken und Flanke. So hatte das alte Europa doch endlich etwas gelernt von der neuen groß- artigen Kriegsweise: nicht mehr die Besitznahme einzelner geographischer Punkte, sondern die Besiegung des Feindes wurde als der Zweck der Ope- ration bezeichnet. Freilich stimmten die überbehutsamen Vorschriften für die Ausführung wenig zu der Kühnheit des strategischen Grundgedankens. Der schlesischen Armee dachte das große Hauptquartier nur die beschei- denen Aufgaben eines großen Observationscorps zu, da sie die schwächste von allen war und der stärksten Position des Feindes gegenüberstand; mit Mühe erwirkte sich Blücher die Erlaubniß unter außerordentlich gün- stigen Umständen eine Schlacht anzunehmen. Seine Offiziere klagten über die bescheidene Rolle die man ihnen zuwies, und beneideten ihre nach Böhmen zur Hauptarmee abmarschirenden Kameraden; der alte Held aber nahm sich vor, seine Vollmacht im allerweitesten Sinne auszulegen. Ein Glück übrigens, daß man im großen Hauptguartiere die feindlichen Streit- kräfte um volle 100,000 Mann unterschätzte; so gewannen die Bedacht- samen doch einigen Muth. Auch Napoleon war über die Stärke und die Stellungen der Ver- bündeten schlecht unterrichtet; er suchte ihre Hauptarmee in Schlesien und schlug die Kopfzahl der Nordarmee viel zu niedrig an. Sein nächstes Ziel blieb noch immer die Vernichtung der preußischen Macht. Derweil der Imperator selbst die schwierige Aufgabe übernahm, von Dresden aus zugleich die böhmische und die schlesische Armee zurückzuhalten, sollte Oudinot Berlin erobern, die Landwehr entwaffnen, die preußische Volkserhebung völlig niederwerfen. Glückte dieser Schlag, so schien es möglich Stettin und Küstrin zu verstärken, vielleicht selbst Danzig zu entsetzen; der Zau- derer Bernadotte wich dann unzweifelhaft an die Küste zurück, Preußen