Stein's und Hardenberg's deutsche Pläne. 493 Was war entsetzlicher: Stein's schonungslose Sprache gegen den Rheinbund oder das Verlangen nach der Einverleibung Sachsens oder die Forderung eines deutschen Parlaments? Der furchtsame Gentz, der alle die schönen Erinnerungen seiner kräftigen Jahre längst über Bord geworfen hatte, klagte bereits beweglich: dieser Befreiungskrieg beginne einem Freiheits— kriege ähnlich zu sehen, drohe mit einer Revolution zu enden, statt mit einer Restauration! Das Angebot der kaiserlichen Würde reizte den öster— reichischen Staatsmann jetzt so wenig wie im Frühjahr. Auch England, Rußland, Schweden hatten ihm in den jüngsten Wochen wiederholt von der Erneuerung des Kaiserthums gesprochen. Der conservative Zug ward an den Höfen immer stärker, seit das revolutionäre Weltreich in's Sinken kam; unwillkürlich regte sich überall der Wunsch nach einfacher Wieder— herstellung der alten Zustände. Der Oesterreicher aber blieb bei seiner Weigerung: nimmermehr sollte sich das Haus Lothringen mit dem leeren Prunke einer Krone belasten, welche ihm jetzt nur noch den Haß Frank— reichs und der Mittelstaaten zuziehen konnte. Eben diese französischen Vasallen, denen alle Preußen Verachtung und Groll entgegentrugen, wollte Metternich um jeden Preis schonen. Er gedachte die deutsche Politik Napoleon's mit ihren eigenen Waffen zu schlagen, spielte den Gönner der rheinbündischen Höfe, erklärte sich bereit im Nothfalle sogar einige der kleinsten Fürsten zum Besten dieser Könige zu mediatisiren. Da er den Haß der Mittelstaaten gegen jede starke Bundesgewalt kannte, so durfte die deutsche Frage nur im freien Ein- verständniß mit den Rheinbundsfürsten entschieden werden. Die ver- trauten englisch-hannoverschen Staatsmänner überraschte er sogar durch die Frage: wozu überhaupt eine deutsche Bundesverfassung, die doch nur böses Blut errege? wie viel einfacher doch, sich zu begnügen mit „einem ausgedehnten System von Verträgen und Allianzen“, das die souveränen deutschen Staaten für den Kriegsfall zu gegenseitigem Beistande verbände! Darum wies er jede nähere Verabredung mit Hardenberg von der Hand und erreichte wirklich, daß zu Teplitz gar nichts über die deutsche Ver- fassung vereinbart wurde. Sein Vertrauter, Hofrath Binder, meinte gemüthlich: wie einst das Verfassungswerk des Westphälischen Friedens unmittelbar aus dem Chaos des großen Krieges emporgestiegen sei, so werde auch die Verfassung des Deutschen Bundes zur rechten Zeit ganz von selber durch die Umstände geschaffen werden. Nebenbei wurde Hum- boldt, der alte Freund von Gentz, der tägliche Genosse von Metternich's Abenteuern und Vergnügungen, bei dem Staatskanzler verleumdet. Die Oesterreicher haßten ihn nächst Stein als den Haupturheber der preußi- schen Bundespläne, und es hielt nicht schwer, dem ohnehin voreingenom- menen Staatskanzler zu beweisen, daß der verdächtige Mann mit Hilfe der „Exaltirten“ sich des Staatsruders zu bemächtigen strebe. Die Haltung Metternich's ergab sich nicht bloß aus der natürlichen