Das Kriegsmanifest vom 1. December. 527 Deutschlands und Italiens keiner Oberherrlichkeit irgend welcher Art unter— worfen werden sollten — da war im Hauptquartiere bereits der Entschluß gefaßt, zwar die Unterhandlungen nicht abzubrechen, doch gleichzeitig den Krieg weiterzuführen. Damit hatte Stein gewonnenes Spiel; denn jeder neue Waffenerfolg der Verbündeten mußte unvermeidlich die Friedens— bedingungen verschärfen. Die Zuversicht wuchs von Tag zu Tag und bald galt es ohne förmliche Abrede als ausgemachte Sache, daß man nun— mehr mindestens einen Theil des linken Ufers, etwa die Grenzen von 1792, zurückfordern werde. Die Kriegspartei triumphirte. Als Blücher in Frankfurt von dem Staatskanzler Abschied nahm, sagte er auf die Frage: „Wo werden wir uns wiedersehen?“ mit seinem fröhlichsten Lachen: „Im Palais Royal!“) Die Worte und Thaten des großen Hauptgquartiers ließen freilich von solcher frischen Entschlossenheit nichts erkennen. Das Manifest vom 1. December, das den Franzosen den bevorstehenden Angriff ankündigte, schien geradezu darauf berechnet, den französischen Hochmuth, der die Welt seit zwei Jahrzehnten nicht zur Ruhe kommen ließ, auf das Aeußerste zu steigern. Mit schmeichelnden Worten, deren gleichen noch nie in einer Kriegserklärung vorgekommen, entschuldigten die Verbündeten ihr Unter- nehmen: sie wollten nicht Frankreich bekriegen, sondern die Uebermacht Napoleon's, sie wünschten, daß Frankreich groß, stark und glücklich sei, und versprachen dem französischen Staate einen größeren Gebietsumfang, als er jemals unter seinen Königen gehabt, denn eine tapfere Nation dürfe darum noch nicht von ihrer Höhe herabsinken, weil sie in einem heldenhaften Kampfe unglücklich gewesen sei! Kläglich, mattherzig wie diese Worte war auch der von Duca und Langenau ausgeklügelte Kriegsplan. Vergeblich vertheidigte Gneisenau die damals noch neue Ansicht, daß dieses centralisirte Frankreich nur in seiner Hauptstadt ganz besiegt werden könne. Die k. k. Kriegstheoretiker hatten auf der Landkarte das Plateau von Langres entdeckt, jene bescheidene Boden- erhebung an den Grenzen Hochburgunds, welche die Wasserscheide dreier Meere bildet; sie nahmen an, daß auch Napoleon bei seinen Feldzügen sich durch die Erwägungen geographischer Gelehrsamkeit bestimmen lasse, und mithin eine Demonstration, „eine Winterbewegung" gegen diese merkwürdige Hochebene den Imperator zum Frieden zwingen werde. Im December setzte sich die große Armee langsam in Bewegung, um auf dem ungeheuren Um- wege durch Baden, das Elsaß und die Schweiz nach Langres zu gelangen. Die Hofburg verfolgte dabei zugleich politische Nebenzwecke; sie dachte in der Schweiz das alte aristokratische Regiment herzustellen und den Feind zur Räumung des italienischen Kriegsschauplatzes, der ihr ungleich wich- tiger war als der französische, zu nöthigen. Ihre Strategen rechtfertigten *) Hardenberg's Tagebuch, 16. December 1813.