544 I. 5. Ende der Kriegszeit. die Truppen, wenn die prächtigen stahlblauen Ordonnanzoffiziere des Kaisers auf den reichgeschirrten Rossen mit den Tigerschabraken heransprengten, um einen Befehl des Unüberwindlichen zu überbringen. Selbst die schwächste Waffe der Franzosen, die Reiterei, konnte wieder von Siegen erzählen, da Schwarzenberg von seinen gewaltigen Reitermassen der schlesischen Armee nichts abgetreten hatte. Was Wunder, daß das Selbstvertrauen im Heere wie im Volke mächtig anwuchs. Die ermüdeten Massen hatten anfangs mit scheuem Staunen zugeschaut, wie die langen Züge hochgewachsener blonder Männer in's Land hereinströmten, da und dort sogar ihre Freude kundgegeben, wenn die Eroberer die drückenden Steuern des Kaiserreichs beseitigten. Indeß der ehrenhafte patriotische Stolz der Franzosen zeigte sich stärker als der Parteihaß. Nirgends fanden die Fremden zuverlässige Wegweiser und Spione, überall mußten die Reiter fürchten, daß der Huf- schmied ihnen die Rosse vernagelte; die Frauen bewahrten durchweg eine würdige Zurückhaltung, zeigten gar nichts von der gutmüthigen Schwäche der Deutschen. Als der Krieg sich in die Länge zog, schwoll den Bauern der Kamm; nach den ersten Siegesnachrichten folgten sie dem Rufe ihres Kaisers, der alle erwachsenen Franzosen zum Kampfe aufbot, und schaarten sich zusammen gegen den étranger. Allerdings beschränkte sich dieser kleine Krieg auf die unmittelbare Nachbarschaft der verödeten Dörfer. Napoleon selber wußte wohl, daß sein centralisirter Beamtenstaat für einen Volks- aufstand großen Stiles keinen Raum bot; eine levée en masse, sagte er oft, ist eine Chimäre in diesem Lande, wo Adel und Geistlichkeit durch die Revolution und die Revolution durch mich zerstört worden ist. Immer- hin ward der Kampf mit dem aufsässigen Landvolke den Eroberern sehr beschwerlich; beide Theile verwilderten in der ruhelosen Fehde. · In dem Charakter der Franzosen zeigte sich seit jenen Tagen ein Zug rauhen Fremdenhasses, den sie in den Jahrhunderten ihrer über- müthigen Selbstgewißheit nie gekannt hatten, und dieser Haß traf am schärfsten die Preußen. Napoleon pflegte in seinen Briefen von Preußen gar nicht mehr zu sprechen; sein Stolz sträubte sich zuzugeben, was Maret schon im September 1813 dem Kriegsminister Clarke vertraulich eingestand: daß Frankreich seine schwersten Schläge durch das Schwert dieses miß- achteten kleinen Staates erlitten hatte. Und doch wußte er so gut wie sein Volk, wer sein furchtbarster Gegner war. Dem Pariser Witze waren die Prussiens: les plus chiens, noch gräulicher als les Rustres und les autres chiens. Die Siege der Russen, der Briten, der Oesterreicher nahm man hin als Unglücksfälle, die der Preußen erschienen wie ein Unrecht, eine unverschämte Ueberhebung. Es konnte nicht fehlen, daß solche Gesinnungen auf die Stimmung des preußischen Heeres zurückwirk- ten. Jene Gutmüthigkeit, die der deutsche Soldat im vergangenen Jahre trotz seiner Erbitterung bewahrt hatte, verlor sich mehr und mehr. Die durch Schwarzenberg's Schlaffheit verschuldete Verlängerung des Krieges