552 I. 5. Ende der Kriegszeit. Tage beherrscht hatten; er mochte nach so vielen Opfern die Verantwor- tung für einen neuen blutigen Kampf nicht übernehmen. Es war die patriotische Sorge um Preußens Zukunft, was diesen einzigen großen Mißgriff seines Feldherrnlebens verschuldete. Durfte man jetzt, da Napo- leon's Sturz doch in sicherer Aussicht stand, die Truppen abermals schwächen und also dem Hause Oesterreich die Freude bereiten, daß Preußen beim Friedensschlusse kein Heer mehr besaß, wie dies Radetzky schon in Frank- furt freundnachbarlich gewünscht hatte? Boyen vornehmlich hob diese poli- tischen Bedenken mit Nachdruck hervor und überzeugte seinen feurigen Freund. Noch einmal rettete den Imperator eine wunderbare Gunst des Glückes. Unverfolgt durfte er abziehen und alsbald wendete er sich, den Vortheil der inneren Operationslinie geschickt benutzend, wieder gegen die große Armee. Schwarzenberg war nach dem Siege von Bar, statt gerade- zu auf Paris loszugehen oder den Imperator im Rücken zu bedrohen, wieder nach Süden ausgewichen. Weitab von der offenen Siegesstraße, bis nach Sens im freundlichen Thale der Yonne, standen seine Heer- säulen zerstreut. Die Preußen grollten: ob es denn wider die Natur eines österreichischen Generals sei, sein Ziel auf dem kürzesten Wege zu erreichen? Nachher drängte der Zauderer ein schwaches französisches Corps von der Seine zurück und getraute sich wieder eine kleine Strecke nord- wärts, bis zur Aube vorzugehen. Das Elend dieses jämmerlichen Feld- zugs wollte kein Ende nehmen. Da wendete sich plötzlich die Politik des Wiener Hofes. Hatten vor sechs Wochen die Unglücksfälle der schlesischen Armee den Gang des Con- gresses von Chatillon durchkreuzt, so wirkte jetzt umgekehrt der Abbruch der diplomatischen Verhandlungen stärkend und anfeuernd auf die Führung des Krieges zurück. Vergeblich warteten die Bevollmächtigten der Alliirten seit dem 17. Februar auf die Beantwortung ihres Ultimatums, vergeblich suchte Kaiser Franz noch am 10. März durch einen mahnenden Brief den Starr- sinn seines Schwiegersohnes zu brechen. Erst am 15. März gab Caulaincourt eine bestimmte Erwiderung, und sie lautete in wesentlichen Punkten ab- lehnend, ja sie war für Oesterreich noch weniger annehmbar als für die anderen Mächte; denn während Napoleon die Abtretung der Rheinlande endlich zugestand, die Auflösung des Rheinbundes zugab und nur Berg und Sachsen ihren bisherigen Souveränen sichern wollte, behielt er andererseits den italienischen Königsthron seinem Stiefsohne Eugen vor. So stieß der Verblendete wie mit Absicht die einzige der verbündeten Mächte, die ihm aufrichtig wohl wollte, zurück, und mit gutem Grunde sagte Gneisenau: „Napoleon hat uns bessere Dienste geleistet als das ganze Heer der Diplo- matiker.“ Metternich mußte endlich erkennen, daß dem Unseligen nicht mehr zu helfen, daß der Untergang des Kaiserreichs unvermeidlich war. Am 19. März erklärten die Verbündeten den Congreß für beendigt, und sofort offenbarte sich der Umschwung der österreichischen Politik in der ge-