Frankreichs neue Grenzen. 563 land und Oesterreich den Franzosen wetteifernd entgegen trugen, konnte von einer Verschärfung der ursprünglichen Bedingungen nicht mehr die Rede sein; die Frage war nur, wie viel Land Talleyrand's Schlauheit noch zu dem alten Gebiete hinzu erhandeln würde. Wohl bäumte sich der französische Hochmuth noch zuweilen auf. Am 11. Mai verlangten die Marschälle im Staatsrathe die Wiedereröffnung des Krieges, offenen Wider- stand gegen die schimpflichen Anforderungen der Coalition, und die preu- ßischen Generale befürchteten einige Tage lang den Ausbruch eines Straßen- kampfes in Paris.)) Doch das Gewölk zog vorüber, die Nüchternheit König Ludwig's wollte sich auf den tollen Vorschlag nicht einlassen. Jene Vereinbarung von Chatillon, kraft deren die Vertheilung der abgetretenen Provinzen den Alliirten allein überlassen blieb, wurde auf- recht erhalten, Dank der Festigkeit Hardenberg's. Indeß erreichte Talley- rand, daß man diesen Satz in den geheimen Artikeln des Friedensver- trags begrub; die Franzosen durften nichts erfahren von jener Bestimmung, die ihrem Stolze am unerträglichsten war. Bei der Berathung über die einzelnen Punkte der Grenze bereitete die Nachgiebigkeit der drei Verbün- deten Preußens dem französischen Minister einen Triumph nach dem andern. Er bewirkte nicht nur, daß alle von französischem Gebiete ein- geschlossenen Herrschaften, Avignon und Venaissin, Mömpelgard und die elsässischen Reichslande, bei Frankreich verblieben, sondern erlangte auch noch einige köstliche Außenposten über die alten Grenzen hinaus: so Sa- voyen und einen Landstrich an der belgischen Grenze mit der wichtigen Maasfestung Givet. Mit der äußersten Zähigkeit marktete er um jeden Brocken Landes; nur durch Humboldt's entschiedenen Widerspruch wurde Kaiserslautern für Deutschland gerettet. *) Dagegen überließ man die altpfälzischen Gebiete, die zwischen den Weißenburger Linien und der Enclave Landau lagen, an Frankreich, und um die Grenze bei Saarlouis abzurunden wurde sogar Saarbrücken mit seinem unschätzbaren Kohlen— becken und der alten nassauischen Fürstengruft von St. Arnual preisge- geben. Die treue deutsche, altprotestantische Stadt war in Verzweiflung. Sie hatte so ganz fest gebaut auf die Versicherung des Generalgouver- neurs Gruner: wer deutsch spricht soll deutsch bleiben. Nun vernahm Stein tief erschüttert die rührenden Klagen dieser wackeren Lothringer über ihre schreckliche Lage, die in dem Herzen jedes Deutschen Trauer erregen müsse und legte ein gutes Wort ein für die Bitte der Saarbrücker, daß man ihre Söhne mindestens im deutschen Staatsdienste anstellen möge) Besser ward für die Schweiz gesorgt, natürlich wieder auf Deutschlands Kosten: man konnte gar nicht genug thun die gerühmten Polsterkissen an *) Gneisenau an Hardenberg, 13. Mai 1814. **) Humboldt an Hardenberg, 17. Mai 1814. ***) Eingabe des Oberbürgermeisters Laukhard an Gruner, Saarbrücken, 7. Juni 1814. Stein an Hardenberg, 15. Juni 1814. 36*