568 I. 5. Ende der Kriegszeit. So Hardenberg's Hoffnungen. Oesterreich empfing durch die Denk- schrift einen schlagenden Beweis der treuen Freundschaft des Berliner Cabinets. Wie oft hatte einst der große König jeden Schritt westwärts, den Oesterreich wagte, mit der Feder und dem Schwerte bekämpft; jetzt reichte Preußen selber der Hofburg die Herrschaft über Süddeutschland wie auf einem Teller entgegen. Der Staatskanzler erbot sich selbst die Stammesvettern seines Monarchen, die schwäbischen Hohenzollern dem Gedanken des deutschen Dualismus zu opfern, ja er wollte, um nur der Kaisermacht eine feste Stellung am Oberrheine zu verschaffen, sogar dem bairischen Staate, der ihm stets verdächtig blieb, eine hochgefährliche Ver- größerung gestatten: durch den Besitz der badischen Pfalz schnitt Baiern die kleinen süddeutschen Staaten gänzlich von dem Norden ab, der Süden wurde unbedingt von Oesterreich und Baiern abhängig. Die patriotische Absicht dieser thörichten Pläne war die Hoffnung, Oesterreich vielleicht dereinst für die Wiedereroberung des Elsasses zu gewinnen; wußte man doch, daß der mächtige Adel des Oberlandes auf beiden Ufern des Rheines begütert war und noch ganz in österreichischen Erinnerungen lebte. Die Vergrößerung Baierns schien ungefährlich, wenn ein österreichisches Vor- land zwischen Baiern und Frankreich eingeschoben wurde. Zum Glück für Deutschland versagte sich Oesterreich selbst den frei- gebigen Absichten seines preußischen Freundes. Metternich blieb bei seiner Ansicht, daß man die süddeutschen Nachbarn nicht erschrecken dürfe. In der preußischen Denkschrift fand er schlechterdings nichts was seiner eigenen Ansicht entsprach; er wollte weder Rußland so weit in Polen eindringen noch Preußen südwärts über die Mosellinie vorrücken lassen und am allerwenigsten die Albertiner den Hohenzollern preisgeben. Daher er- widerte er, die Frage könne erst auf dem großen Congresse, der binnen zwei Monaten zusammentreten sollte, ihre Erledigung finden. In der Stille aber traf er bereits seine Anstalten um die Mainzer Festung den Händen Preußens zu entwinden und schloß am 3. Juni mit Wrede einen Vertrag zur Ausführung der Rieder Verabredungen: Baiern sollte Mainz und ein möglichst großes Gebiet auf dem linken Rheinufer erhalten, dazu die badische Pfalz und die zur Verbindung mit dem Hauptlande nöthigen Gebiete. Deutschlands wichtigste Festung, der Schlüssel der Rheinlande war also dem Staate versprochen, der noch unter Montgelas“ Leitung stand und in Berlin mit Recht als ein geheimer Bundesgenosse Frank- reichs beargwöhnt wurde. Selbstverständlich durfte Preußen von diesem Abkommen nichts erfahren. Seinen englischen Freunden aber gestand Metternich offen: er wünsche möglichst viele deutsche Staaten im Rhein- thale anzusiedeln und also zur Vertheidigung des Stromes zu zwingen: nimmermehr könnten Oesterreich und Baiern das feste Mainz und damit „die Herrschaft über ihren einzigen großen Strom“, den Main, an Preußen geben, das schon Rhein und Elbe, Oder und Weichsel beherrsche. Die