594 I. 5. Ende der Kriegszeit. neuen Institutionen namentlich in den neuen Provinzen begegnen würden, und befahl daher eine schonende, schrittweis vorgehende Ausführung. Ueberhaupt war noch Alles im Werden. Das Gesetz selber erkannte an, daß unmöglich alle Wehrfähigen in das stehende Heer eintreten konnten und ein Theil davon sogleich der Landwehr zugetheilt werden mußte; doch über die Höhe der jährlichen Aushebung war noch nichts endgiltig beschlossen. Nur soviel stand schon fest, daß die trostlose Lage des Staats- haushalts eine sehr starke Linienarmee nicht gestattete; neben diesen über- wältigenden finanziellen Sorgen mußten die schweren militärischen und volkswirthschaftlichen Bedenken, welche gegen die unverhältnißmäßige Ver- mehrung der Landwehr sprachen, vorläufig zurücktreten. Desgleichen konnte nur die Erfahrung zeigen, ob das Offizierscorps der Landwehr wirklich im Stande war, wie dies Gesetz annahm, völlig selbständig neben den Offizieren der Linie zu stehen. Aber wie unfertig auch Manches noch erschien, der große Wurf war doch gelungen. Mit diesem Volksheere war ein großartiges Mittel sittlicher Volkserziehung gefunden, trefflich geeignet die alten Tugenden der Nation, Muth, Treue, Pslichtgefühl zu entwickeln, ihre natürlichen Schwächen, Eigensinn, Particularismus, Ver- schwommenheit zu bekämpfen. Der Staat wurde nun erst diesem staat- losen Geschlechte wahrhaft lebendig, wie den Bürgervölkern des Alterthums, trat mit seiner begeisternden Majestät und seiner herben Strenge in jedes Haus hinein. Die kurze Dienstzeit zwang die Mannschaft und mehr noch die Offiziere zur Anspannung aller Kräfte; das Freiwilligenjahr bot das einfache Mittel den höheren Ständen die ungewohnte Last erträglich zu machen. Der alte, mit dem Wesen dieses Staates fest verwachsene Ge- danke Friedrich Wilhelm's I. fand endlich die Gestaltung, welche den demokratischen Anschauungen des neuen Jahrhunderts entsprach und doch der unzerstörbaren Aristokratie der Bildung gerecht wurde. Das Wehrgesetz gab ein unzweideutiges Zeugniß für die friedfertigen Absichten der Regierung; mit einer Feldarmee, die zur größeren Hälfte aus Landwehren bestand, ließ sich eine Politik des unruhigen Ehrgeizes schlechterdings nicht führen. Gleichwohl sprach aus dem Aufgebote der gesammten Nation zugleich der bestimmte Entschluß, die wiedererrungene Großmachtstellung der Monarchie zu behaupten. Daher denn an allen Nachbarhöfen lebhafte Beunruhigung. Mochten einzelne Generale der alten Schule über das preußische „Milizwesen“ verächtlich absprechen, die Kriegsthaten dieses Heeres standen doch noch in zu frischer Erinnerung. Der französische Kriegsminister Dupont zog sogleich mit ersichtlicher Sorge bei dem preußischen Gesandten Erkundigungen ein und erhielt die trockene Antwort: „wir wollen große Streitkräfte ohne ein unverhältnißmäßig großes stehendes Heer.““') Noch besorgter war die Hofburg; sie fürchtete *) Goltz's Bericht, Paris, 26. Sept. 1814.