Die Lage in Sachsen. 625 Regierung gedruckt wurde. Mit dem äußersten Erstaunen, heißt es hier, habe der König das Gerücht vernommen, daß die Alliirten ihm sein Erb— land vorenthalten wollten; er würde fürchten die hohen Mächte zu be— leidigen, wenn er solcher Verleumdung irgend Glauben schenkte. Darauf wird das Verhalten des sächsischen Hofes gerechtfertigt, alle Schuld auf die force prépondérante geschoben — so hieß der Große Alliirte jetzt — und mit der ganzen stillvergnügten Naivität des deutschen Kleinfürsten— thums die treffende Wahrheit ausgesprochen: „nur große Staaten können ihren Ansichten treu bleiben.“ Friedrich August erklärte sodann allen Höfen, daß er niemals in eine Abtretung willigen werde, und rief in einem eigenhändigen Briefe (19. Sept.) die Hilfe Ludwig's XVIII. an. Sein Gesandter in Wien, Graf Schulenburg fand zwar keinen Zulaß zu den amtlichen Verhandlungen des Congresses, und in den Berathungen des deutschen Verfassungsausschusses wurde das Königreich Sachsen als nicht mehr vorhanden angesehen. Doch Wrede trug dem Sachsen dienst— bereit alles Wissenswerthe zu. Zugleich verhandelte Prinz Anton insge— heim mit seinem Schwager, dem Kaiser Franz; der Sachse Langenau war der nächste Vertraute von Gentz. Die Sache der Albertiner gewann täglich an Boden. Auch im sächsischen Volke stand es anders als der Staatskanzler wähnte. Mehrere einsichtige Männer vom Adel schlossen sich dem Gene— ralgouvernement des Fürsten Repnin an, so Carlowitz, Miltitz, Oppell, Vieth, auch einige höhere Beamte wie der Freund Schiller's, der Vater von Theodor Körner; mit ihrer Hilfe hat die russische Verwaltung sehr segensreich gewirkt, binnen Kurzem eine Menge verrotteter Mißbräuche aus dem kleinen Staate hinausgefegt. Im gebildeten Bürgerthum bestand eine kleine preußische Partei, die Leipziger Kaufleute waren längst verstimmt wider das Adelsregiment. Aus diesen befreundeten Kreisen entnahmen Stein und Hardenberg ihre hoffnungsvolle Ansicht von der Stimmung des Landes. In Wahrheit verharrte die Masse des Volkes in tiefer Ab- spannung. Sie war erschöpft von den Drangsalen des Krieges, durch die Alleinherrschaft des Adels von allem politischen Denken entwöhnt; man betrachtete, wie alle Deutschen jener Zeit, das angestammte Fürstenhaus als ein unentbehrliches Kleinod des engeren Vaterlandes, doch man blieb vorerst still und gleichmüthig. An dem regen Federkriege, der den diplo- matischen Kampf um Sachsens Zukunft begleitete, haben bloß zwei nam- hafte Sachsen theilgenommen: Karl Müller schrieb für die preußische An- sicht, Kohlschütter als Vertreter des unterthänigen Beamtenthums. Nur eine Partei entfaltete eine rührige Thätigkeit: die Oligarchen vom Hof- adel. Sie beherrschten das Land seit Jahrhunderten, die starke Hand des preußischen Königthums drohte sie in die Reihen der gemeinen Unter- thanen hinabzudrücken. Der Hofadel und die hohen Beamten hielten, so lange der Krieg währte, mit den zahlreichen französischen Gefangenen, die v. Treitschke, Deutsche Geschichte. 1. 40