Castlereagh als Vermittler. 629 eröffnete, im Bunde mit Metternich, seinen diplomatischen Kampf gegen den Czaren. Auf die Einladung der drei Theilungsmächte übernahm England die Vermittlung; und schwerlich ist jemals in der gesammten Geschichte der neueren Diplomatie ein Unterhändler so thöricht und un— geschlacht aufgetreten wie der edle Lord, dem seine Parteigenossen nach— rühmten: „für alles Gute müssen wir Gott und Castlereagh danken.“ Er sollte vermitteln und gebärdete sich als ein Parteimann, stellte sogleich Forderungen, welche weit über Oesterreichs und Preußens Wünsche hinaus— gingen. Die einfachsten Rücksichten des Anstandes geboten ihm eine ge— mäßigte Sprache, da England nach den Verträgen gar nicht berechtigt war sich in die polnischen Händel zu mischen; und gleichwohl schlug er sofort einen zankenden Ton an, den kein gekröntes Haupt und am aller- wenigsten das überspannte Selbstgefühl Alexander's sich bieten lassen konnte. Schon in seiner ersten Denkschrift vom 4. October warf er dem Czaren die Beschuldigung in's Gesicht, Rußlands Verfahren verstoße wider Wort- laut und Geist der Verträge — eine offenbar unwahre Behauptung, da Alexander sich weislich gehütet hatte irgend eine bindende Verpflichtung einzugehen. Er erdreistete sich sogar die Absichten seiner Auftraggeber zu verfälschen und erklärte, Oesterreich und Preußen würden die Herstellung eines völlig unabhängigen Polenreichs mit Freuden begrüßen — was der Meinung des Wiener wie des Berliner Hofes geradeswegs zuwiderlief. Die einzige Entschuldigung für ein so unerhörtes Verfahren lag in der tiefen Unwissenheit des Lords; offenbar ahnte er gar nicht, was unter der Unabhängigkeit Polens zu verstehen sei. Mit naiver Selbstgefällig- keit schrieb er an Wellington nach Paris, die kräftige Sprache seines Memoires könne und werde ihres Eindrucks auf den Czaren nicht ver- fehlen"). Noch anschaulicher zeigte sich die Unfähigkeit dieses wunder- lichen Vermittlers in seiner zweiten Denkschrift vom 14. October. Hier verlangt er, Oesterreich solle, wo möglich mit Preußen vereinigt, dem Czaren folgende Vorschläge unterbreiten: entweder Herstellung des freien Polenreichs unter einem unabhängigen Fürsten, wie es vor 1772 be- standen; oder falls dies unerreichbar, Wiederherstellung des Zustandes von 1791; oder endlich, im schlimmsten Falle, eine Theilung des Her- zogthums Warschau dergestalt, daß Preußen alles Land bis zur Weichsel, Rußland nur den schmalen Landstrich weiter östlich erhielte. Während Hardenberg niemals mehr als die Warthelinie für Preußen gefordert hatte, wollte der Brite, der in Preußens Namen zu sprechen behauptete, unserem Staate fast seinen gesammten alten polnischen Besitz wieder aufladen, ja er versicherte, Preußen sei bereit für die Wiederherstellung des Polens von 1771 „alle nöthigen Opfer zu bringen“, also die Marien- burg und die Weichsellande des Deutschen Ordens wieder den Sarmaten *) Goltz's Bericht, Paris 21. Oct. 1814.