Sachsen unter preußischer Verwaltung. 643 neuen Steuern nur „unter Zuziehung einer aus der Nation gewählten Ständeversammlung“ aufzulegen und der Stadt in Friedenszeiten keine Garnison aufzudrängen.“) Weiter ging er nicht. Das gemeine Recht der monarchischen Verwaltung konnte die oligarchischen Vorrechte nicht unbe— rührt fortbestehen lassen. Gewiß sind auch in Sachsen einzelne Mißgriffe vorgekommen; die Erhebung aus der Enge der Kleinstaaterei ist noch in keiner unserer neuen Provinzen ganz ohne verletzende Härte geschehen. Aber die Masse des Volks blieb trotz ihrer unzweifelhaft particularistischen Gesinnung von jedem Gedanken des Widerstandes weit entfernt. Ein gründlicher Kenner der Verhältnisse, der Gouvernementscommissar von Zeschau in Wittenberg, der spätere sächsische Finanzminister, erklärte freimüthig: man könne nicht verlangen, „daß das sächsische Volk einen Fürsten ganz vergesse, unter dessen Regierung es bis zum Jahre 1806 ganz glücklich lebte;“ doch die Mäßigung der Regierung finde Anerkennung; ganz gewiß seien keine Un- ruhen zu befürchten, das Volk werde sich rasch in die neue Ordnung ein- gewöhnen.*) Jedermann weiß, wie genau diese Weissagung bald nachher in der nördlichen Hälfte des Landes sich erfüllt hat. Doch weil es so stand, weil die leichte Verschmelzung des Landes mit dem preußischen Staate außer Zweifel war, darum kämpfte die Adeliche Ressource in Dresden, der alte Sammelplatz des Hofadels und der Bureaukratie, mit leiden- schaftlichem Eifer gegen den drohenden Untergang ihrer alten Herrlichkeit. Die Förster — fast die einzigen Menschen im Lande, denen sich der alte König, frei von dem Zwange der Etikette, in seiner menschlichen Harm- losigkeit gezeigt hatte — beförderten eifrig die Briefe des Gefangenen und seines Contino Marcolini. Die Ungewißheit der Zukunft gab der Wüh- lerei des Junkerthums stets neue Nahrung. Man lauschte angstvoll auf jede Nachricht aus Wien, auf jeden Wink aus Friedrichsfelde. Als der Herzog von Braunschweig im November durch Dresden kam, hielt er für Welfenpflicht, gegen Jedermann von der nahen Rückkehr des angestammten Herrn zu sprechen. Sofort bemerkte Geh. Rath Krüger, wie die Auf- regung in der Residenz zunahm; „meine eigene Kanzlei,“ schrieb er dem Staatskanzler, „zittert und bebt bei dieser Aussichtl" Unterdessen tobte weithin durch das Lager des Rheinbundes, am lautesten in Baiern, ein erbitterter Federkrieg, dessen bodenlose Gemein- heit der Sachse Karl von Nostitz treffend als „pamphletistische Mord- brennerei“ bezeichnete. Diese Libelle, zumeist von den Cabinetten selber veranlaßt oder beeinflußt, haben nicht nur die Leidenschaften des Tages *) Hardenberg an Miltitz 12. December 1814, an Bülow 25. Januar 1815. **) Schreiben Zeschau's an den provisorischen Chef der sächsischen Polizei von Bülow (18. November 1814). ***) Krüger's Bericht an Hardenberg, 29. November 1814. 41“