644 II. 1. Der Wiener Congreß. geschürt und den Kampf verschärft. In ihnen sammelte sich auch das ganze Rüstzeug jener vergifteten Waffen an, welche seitdem während eines Menschenalters gegen Preußen geschwungen wurden; schon jetzt verrieth sich das nachher in den Tagen der Demagogenverfolgung mit so reichem Erfolge gekrönte Bestreben, den Befreiungskrieg und seine Helden vor der Krone Preußen zu verdächtigen. Mit Gentzens Freunde Adam Miller, dem Herausgeber des ultramontanen „Tyroler Boten“, wetteiferte der Welfe Sartorius. Der gelehrte Göttinger Historiker verfaßte, während er zu Wien in den Vorzimmern der Diplomaten umherschlich und ver- traulich mit Gentz verkehrte, unter dem Namen eines „preußischen Pa- trioten“ die Flugschrift „über die Vereinigung Sachsens mit Preußen“ und schilderte mit dem ganzen Kummer eines beschämten treuen Preußen- herzens: im Lande geht das Gerücht, daß verblendete Rathgeber die Hände des Königs mit gestohlenem Gute beflecken wollen; die Verführung lauert, der Staat steht am Scheidewege; soll denn nochmals, wie einst in Schle- sien, Westpreußen, Hannover, das suum cuique rapit der Sinnspruch unseres Adlers sein? Die Augsburger Allgemeine Zeitung stand, wie in jeder großen Krisis unserer neueren Geschichte, auch diesmal unter den Feinden Preußens. Noch handfester sprachen Aretin und Hörmann, die beiden alterprobten Schergen des Bonapartismus, in der Münchener Alemannia. Aretin's Schrift „Sachsen und Preußen“ führte den Gedanken aus, der seitdem ein Lieblingssatz unserer Föderalisten wurde: der aufgeblasene preußische Frosch müsse eine Macht zweiten Ranges bleiben; werde er zu einer „Primär-Macht“, so gehe die Ruhe und das Gleichgewicht Europas unter; dazu die herkömmliche Versicherung, daß die preußische Ländergier auch nach Hamburg, nach Böhmen und Mähren trachte. Gleichfalls aus den Kreisen Montgelas' und der bairischen Regierung stammt die Flugschrift „Preußen und Teutschland“, die nach einer Fluth wüster Schmähreden schließlich die „Sachsen, Rheinländer und Mainzer“ feierlich aufruft, ihre Freiheit gegen die Fänge des preußischen Adlers zu vertheidigen. Die Krone dieser Literatur bilden die in Baiern heimlich gedruckten „Sächsischen Actenstücke aus der Dresdener ungeschriebenen Zeitung“ — eine Fälschung von solcher Plumpheit, daß wir heute kaum noch begreifen, wie sie jemals gläubige Leser finden konnte. Da verwendet sich Herzog Ernst von Coburg für seinen gefangenen Verwandten in einem rührenden Briefe, welchen nachweislich La Besnardiere auf Talleyrand's Befehl angefertigt hat. Da richten die preußischen Generale (York, Bülow, Kleist, Gneisenau und Massenbach bunt durcheinander) eine drohende Adresse an den Staats- kanzler und verlangen säbelrasselnd die sofortige Einverleibung Sachsens; „wo wäre die preußische Monarchie, wenn wir dem behutsamen Cabinette blind gehorcht hätten?“" Da warnt eine Denkschrift Hardenberg's den König vor dem zügellosen Geiste des Heeres und den gefährlichen Um-