Das Bündniß vom 3. Januar. 657 Andere Mächte, namentlich Baiern, die Niederlande und Hannover, sollen zum Beitritt eingeladen werden. — Also zur Vervollständigung des Pa— riser Friedens, der jede Einmischung Frankreichs in die Gebietsfragen untersagte, schlossen Oesterreich und England ein Bündniß mit Frankreich! Der Vertrag sprach nur von einem Vertheidigungsbündniß; sein wirklicher Zweck war der Angriff. Denn wollte man jenen „neuerdings offenbarten Ansprüchen“ entgegentreten, so mußte man zunächst den Besitzstand Preu- zhens in Sachsen angreifen. Ein geheimer Artikel enthielt überdies die verständliche Drohung: wenn Baiern, Hannover oder die Niederlande der Einladung nicht folgten, so würden sie „jedes Recht auf die Vortheile ver- lieren, welche sie kraft des gegenwärtigen Vertrages beanspruchen könnten." Nach der Absicht seines eigentlichen Urhebers, Talleyrand's, war der Bund unzweifelhaft dazu bestimmt, mit überlegener Macht das erschöpfte Preußen zu überfallen und von seiner neu errungenen Großmachtstellung wieder herabzustürzen. Der Franzose stand am Ziele seiner Wünsche; er rühmte sich mit vollem Rechte: „ich habe für Frankreich eine födera- tive Stellung geschaffen, wie sie fünfzig Jahre glücklicher Unterhandlungen kaum hätten erreichen können,“ und ließ den General Ricard aus Paris kommen um mit Schwarzenberg und Wrede den Feldzugsplan für das Frühjahr zu verabreden. Bereits wurden in Böhmen Truppen zusam- mengezogen, Wrede verkündete prahlend den unzweifelhaften Sieg, Mün- ster aber zeichnete den Geist dieser unvergleichlich treulosen Politik mit dem frivolen Ausruf: „wir spielen eine Partie en trois; ist der Feind geschlagen, so geht es gegen den Freund.“ Stein hat seitdem nie wieder Vertrauen zu den Welfen fassen wollen. In Friedrichsfelde athmete man auf. Der gefangene König gab seinem Bruder Anton Vollmacht sofort beim Einmarsch des Heeres der Tripelallianz die Regentschaft in Sachsen zu übernehmen, und empfing von dem Prinzen die frohe Bot- schaft: „mein Schwager Franz wird unsern Nachbarn nicht sehr gnädig behandeln!“ Graf Schulenburg sah schon die glücklichen Tage nahen, da Preußens Macht zerfallen und Hannover die Führerstellung im Norden übernehmen würde — eine Weissagung, worin man leicht den Widerhall welfischer Prahlereien erkennt. Der Vertrag vom 3. Januar ist von lang nachwirkenden mittelbaren Folgen gewesen. Er hat Frankreich wieder eingeführt in die Gemeinschaft der Staatengesellschaft und zwischen den Westmächten jene vielgerühmte entente cordiale begründet, welche seitdem, immer nur auf kurze Zeit unterbrochen, fortgewährt hat bis zum heutigen Tage. Er hat am Wiener Hofe den alten Choiseul'schen Gedanken des Bundes der katholischen Groß- mächte wieder belebt, eine Politik, der es fortan in der Hofburg niemals mehr an mächtigen Freunden fehlte. Er ließ zugleich eine natürliche Gruppirung der Mächte ahnen, die einer großen Zukunft sicher war: hier die Westmächte, Oesterreich und die Pforte; dort die jungen Staaten v. Treitschke, Deutsche Geschichte. J. 42