Stein's erste Bundespläne. 683 fremden Mächte in Wien den Anspruch erhob unmittelbar in die deutschen Verfassungshändel einzugreifen. Für diese Arbeit, die ihm die heiligste aller irdischen Angelegenheiten blieb, setzte Stein die ganze Wucht seines heroischen Willens ein. Mit starrem Entsetzen sahen die kleinen Fürsten und Minister auf den unzähmbaren Mann, wie er einmal, die mächtigen Augen funkelnd, die Nase kreideweiß vor Zorn, dem bairischen Kronprinzen die geballte Faust vor das Gesicht hielt. Doch was vermochte alle Leiden— schaft, alle Ausdauer gegenüber einer Aufgabe, die schon völlig unlösbar geworden war durch den Dualismus der Großmächte, durch den bösen Willen der Rheinbundshöfe und nicht am wenigsten durch die allgemeine, auch von Stein selber getheilte politische Unklarheit der Zeit? Sobald der Reichsritter sich überzeugte, daß Oesterreich die Wieder- annahme der Kaiserwürde hartnäckig abwies, ließ er seine Teplitzer Pläne fallen und arbeitete, noch in Chaumont am 10. März 1814, einen neuen Bundesentwurf aus, welcher die executive Gewalt den vier größten deut- schen Staaten zuwies. Sein Augenmerk war jetzt vornehmlich auf die Beschränkung des „Sultanismus“ der kleinen Despoten gerichtet; darum Grundrechte, „Rechte der Deutschheit", von Bundeswegen jedem Deutschen gewährleistet, und ein aus Abgeordneten der Fürsten und der Landtage gemischter Bundestag. Im nächsten Sommer ward dieser Entwurf von Neuem umgestaltet und im Juli, bei einer Zusammenkunft in Frankfurt, mit dem Staatskanzler und dem Grafen Solms-Laubach eingehend be- rathen. Widerstrebend ergab sich der Freiherr jetzt darein, die Abgeord- neten der Landtage aus dem Bundestage auszuschließen; bildet man den Bundestag allein aus Fürsten, meinte er bitter, so vertraut man den Schutz der landständischen Rechte gerade denen an, welche ein Interesse haben sie zu untergraben! Aber die Unmöglichkeit, bei Oesterreich und den Rheinbundshöfen ein deutsches Parlament durchzusetzen sprang in die Augen, desgleichen die unbehilfliche Schwerfälligkeit einer allzu zahl- reichen Bundesversammlung ohne Haupt; auch schien es bei der Macht, welche die Landesherren besaßen, in der That unziemlich, ihre Vertreter unter der Ueberzahl der Volksabgeordneten verschwinden zu lassen. Der so naheliegende Gedanke, ein Staatenhaus für die Fürsten, ein Volkshaus für die Vertreter der Nation zu bilden, tauchte noch nirgends auf; um die Verfassung der nordamerikanischen Union hatte sich noch Niemand in Deutschland ernstlich bekümmert. Den also umgebildeten Entwurf legte Graf Solms schon am 2. Septbr. in Hardenberg's Auftrag dem österreichischen Minister vor, und seltsam genug war das Werk gerathen. Wie wunderlich hatten sich doch diese wohlmeinenden norddeutschen Patrioten gedreht und gewendet um die Quadratur des Cirkels zu finden und das kaum halbdeutsche Oesterreich mit dem eigentlichen Deutschland unter einen Hut zu bringen. Sie er- kannten richtig, daß Oesterreich sich einer irgend kraftvollen Bundesge-