Blücher in Belgien. 729 seines Heeres für die Sache Europas einzusetzen. Vertrauensvoll kam er seinem englischen Waffengefährten entgegen und setzte treuherzig bei dem Briten die nämliche Gesinnung voraus. Das kurze, sichere solda— tische Wesen des englischen Feldherrn gefiel ihm wohl: „Wellington ist die Gefälligkeit selbst,“ schrieb er befriedigt, „und ein sehr bestimmter Mann, wir werden eine gute Ehe mit einander führen.“ Als trotz seiner stür— mischen Bitten und Vorstellungen der Beginn des Krieges von den Wiener Strategen immer weiter hinausgeschoben wurde, da drohte er dem Staats— kanzler: „Wenn der Befehl zum Vorwärts ausbleibt, die Unruhen in Frankreich zunehmen, so mache ich es wie in Schlesien und schlage los. Wellington accompagnirt mich sicher.“ Gneisenau, gleich seinem greisen Freunde bereit zu jedem Opfer für die gemeinsame Sache, urtheilte doch anders über den Charakter des Briten; er meinte, von dem lasse sich der zäheste und tapferste Widerstand gegen den Feind erwarten, aber weder eine kühne Unbotmäßigkeit, noch irgend eine Aufopferung für die Verbündeten. Und dies Urtheil traf das Rechte; denn wenn im Blücher- schen Hauptquartiere die hochherzige Begeisterung für die Freiheit Europas vorherrschte, so war Wellington ein Engländer vom Wirbel bis zur Zehe, im Guten wie im Bösen. Die kurzen sechs Tage des belgischen Feldzugs erwecken nicht nur die höchste politische und menschliche Theilnahme durch den rastlosen, mächtig aufsteigenden dramatischen Gang der Ereignisse, durch die Ueberfülle gran- dioser Kämpfe, Leidenschaften und Schicksalswechsel, die sich in wenigen Stunden zusammendrängte; sie gewähren auch einen tiefen Einblick in die wunderbar vielgestaltige und ungleichmäßige Entwicklung der abendländi- schen Völker, denn drei grundverschiedene Epochen der europäischen Kriegs- geschichte traten in den Ebenen von Brabant gleichzeitig auf den Kampf- platz. Hier das achtzehnte Jahrhundert, das Söldnerheer Altenglands; dort das Zeitalter der Revolution, das Berufssoldatenthum der demokra- tischen Tyrannis; da endlich die neueste Zeit, das preußische Volk in Wassen. Jede der drei Armcen entfaltet in einem ungeheuren Ringen ihre eigenste Kunst, und jede wird geführt von dem Feldherrn, der ihrem Charakter entspricht. Da Blücher und Gneisenau, die Helden des stür- mischen Völkerzornes; dort der gekrönte Plebejer; hier endlich jener Wel- lington, der damals von Münster und den Hochtorys als der größte Feldherr des Jahrhunderts gefeiert wurde, uns Nachlebenden aber als der letzte großartige Vertreter einer völlig überwundenen Kriegsweise erscheint. Wellington zählt zu jenen seltenen Männern, die ohne schöpferi- sches Genie, fast ohne Geist, allein durch die Kraft des Charakters, durch die Macht des Willens und der Selbstbeherrschung zu den Höhen historischen Ruhmes emporstiegen. Wer hätte diesem langsam fassenden Knaben einen Weltruf geweissagt, ihm der nie recht jung war und von seinen eigenen Brüdern Richard und Heinrich an Talent weitaus über-