Die sächsische Armee. 737 so ungesunden Zuständen die Bande der ehrenhaften deutschen Manns- zucht nicht schon früher zerrissen. Die dienstliche Haltung der Regimenter blieb untadelhaft den Winter über, obgleich die alten rheinbündischen Erinnerungen natürlich wieder le- bendig wurden, da und dort in den Ouartieren der sächsischen Soldaten auch ein vive l’empereur erklang. Die beiden Generale, welche in der Armee mit Recht des höchsten Ansehens genossen, Zeschau und Le Cogq, waren strenge Legitimisten und durften deshalb nicht bei den Truppen bleiben. Das Commando des Corps wurde durch einen argen Mißgriff dem General Thielmann anvertraut, der seinen alten Kameraden als ein Deserteur verdächtig war; und er verstärkte diese Mißgunst, indem er nach seiner schauspielerischen Weise mit unmilitärischer Redseligkeit durch Trinksprüche und Anreden die Offiziere für Preußen zu gewinnen suchte. Da aus Wien die Nachricht von der Theilung des Landes kam, forderte er sofort eigenmächtig seine Kameraden auf, zwischen dem preußischen und dem sächsischen Dienste zu wählen; darauf neuer Zwist unter den Offi- zieren, steigendes Mißtrauen unter der Mannschaft. So hat der General durch sein taktlos zudringliches Benehmen die Lockerung der Mannszucht in der kleinen Armee mitverschuldet. Diese heillosen Wirren zu beendigen war für den König von Preußen unerläßliche Pflicht. Boyen sah schon im März unruhige Auftritte unter den sächsischen Truppen voraus. Durfte man sie in ihrem unfertigen Zustande belassen bis zu dem ganz unabsehbaren Zeitpunkte, da es dem Albertiner gefallen würde seinen thörichten Widerstand aufzugeben? Der König befahl daher am 14. März dem General Gneisenau ungesäumt aus den dem preußischen Antheile angehörigen Mannschaften neue Re- gimenter zu bilden: „ich werde mich freuen, von jetzt an nie einen Unter- schied zwischen meinen älteren Regimentern und ihnen zu machen.““) Den Offizieren blieb die Wahl des Dienstes freigestellt. Die Gewissen- haftigkeit des Königs ließ sich nicht ein auf die peinliche Frage, ob der alte Fahneneid der Sachsen nicht durch ihren Uebertritt zu den Verbün- deten aufgehoben sei. Er befahl einfach eine neue Formation der säch- sischen Regimenter, wozu er unzweifelhaft befugt war, und wollte die Ver- eidigung der an Preußen kommenden Truppentheile so lange vertagen, bis Friedrich August sie des alten Eides entbunden hätte. Am 1. April schärfte Hardenberg dem General Gneisenau den königlichen Befehl noch- mals ein, da nach dem Gange der Verhandlungen an der schließlichen Zu- stimmung des Wettiners nicht zu zweifeln sei. Die Mächte in Wien waren mit dem Verfahren des Staatskanzlers einverstanden; sie beschlossen die bei der Krone Sachsen verbleibenden Regimenter der Armee Wellington's zuzu- theilen. Die preußischen Generale schoben dann die Ausführung schonend *) Cabinetsordre an Gneisenau 14. März 1815. v. Treitschke, Deutsche Geschichte. I. 47