Napoleon's Anmarsch. 741 die Empfindlichkeit des älteren Generals zu schonen hatte Gneisenau dem Marschbefehle an Bülow eine so höfliche Fassung gegeben, daß er fast wie ein unmaßgeblicher Vorschlag klang. Bülow, immer geneigt zu eigen— mächtigem Handeln und noch ohne Kenntniß von dem wirklichen Ausbruch der Feindseligkeiten, blieb unbesorgt in Lüttich und verschob die anbefohlene Vereinigung seines Corps bei Hannut auf den 16. Juni. Ein zweiter dringenderer Befehl zum Anmarsch traf ihn daher in Hannut nicht an. Das vierte Corps verlor in einem Zeitpunkte, da jede Minute kostbar war, einen vollen Tag und konnte am 16. nicht mehr bei der Armee eintreffen. Die Lage der drei preußischen Corps, die sich in der Gegend von Sombreffe zusammenzogen, gestaltete sich also sehr ernsthaft, und ob- wohl das Blücher'sche Hauptquartier ungestüm nach einer raschen Ent- scheidung verlangte, so wurde doch am Morgen des 16. ernstlich die Frage erwogen, ob man nicht besser thue die Armee weiter nördlich, näher an das rechts rückwärts stehende englische Heer heranzuführen; dort konnte die Vereinigung der Verbündeten sich ungestört vollziehen. Während Gneisenau die Absicht Napoleon's sogleich durchschaute, blieb Wellington bei seiner vorgefaßten Meinung, daß der Anmarsch der Feinde in mehreren Colonnen erfolgen werde, und befürchtete einen Angriff auf seiner rechten Flanke, auf der Straße von Mons her. Die erste Nach- richt von den Gefechten bei Charleroi ließ er unbeachtet, da er dort nur einen Theil der Armee Napoleon's vermuthete; und auch als er endlich am Abend des 15. von Brüssel aus, einen ganzen Tag später als Blücher, die Concentration seiner Armee anordnete, befahl er nicht einfach den Linksabmarsch des gesammten Heeres nach dem wichtigen Knotenpunkte OQuatrebras, wo die Straßen von Charleroi und Namur nach Brüssel zusammentrafen und eine Vereinigung mit den Preußen möglich war, sondern gab seinen Corps die Richtung auf die fünf Meilen lange Linie von Enghien im Westen über Nivelles nach Genappe im Osten, so daß die englische Armee nur mit ihrer äußersten Linken die Straße nach Char- leroi berührte. Die völlig grundlose Sorge vor einer Umgehung im Westen bestimmte alle Anordnungen des englischen Feldherrn; seine Reserven, die nach Genappe, auf die Straße von Charleroi marschiren sollten, ließ er am 16. fünf Stunden lang bei Waterloo rasten, weil er im Zweifel war, ob er sie nicht noch weiter im Westen verwenden sollte. Zum Glück be- setzte Prinz Bernhard von Weimar mit seiner nassauischen Brigade am Abend des 15. eigenmächtig den Kreuzweg von Quatrebras; aber selbst dieser schwache vorgeschobene Posten des linken Flügels der Engländer stand noch eine starke Meile rechts rückwärts hinter der preußischen Aufstellung und vermochte eine Umgehung der rechten Flanke Blücher's schwerlich zu verhindern. Noch verderblicher wurde, daß der Herzog sich selber und den preu- ßhischen Feldherrn gründlich täuschte über die Stellung, welche sein Heer am 16. einnehmen konnte. Am 15. um Mitternacht ließ er an Blücher