744 II. 2. Belle Alliance. bewegte sich um den Besitz von La Haye und Ligny; hier auf diesem engen Raume lag die Entscheidung, und hier vermochte der linke Flügel der Preußen gar nicht einzugreifen. Beide Heere fochten mit verzweifel- tem Muthe, der Haß so vieler Jahre brach furchtbar aus. Kein Pardon hüben und drüben; ein französischer General drohte Jeden erschießen zu lassen, der ihm einen gefangenen Preußen brächte. Im Ganzen bewahr- ten die französischen Truppen mehr Ruhe und Sicherheit; die Offiziere behielten ihre Leute fest in der Hand, während die Leidenschaft ungestümer Kampflust, die in dem deutschen Volksheere flammte, die preußischen Führer oft zu vorzeitiger Vergeudung der Kräfte verleitete. Der wellige, erstarr- ten Meereswogen gleichende Boden, die mit manneshohem Getreide und dichtem Kartoffelkraut bestandenen Felder der üppigen Brabanter Ebene boten Gelegenheit zu mannigfachen Ueberraschungen, denen die Kaltblü- tigkeit der jungen preußischen Truppen, namentlich der Landwehr nicht immer gewachsen war. Es war ein drückend heißer Tag. Bei stechender Sonne und schwüler Gewitterluft mußte das preußische Fußvolk, das zum Theil schon Tags zuvor gefochten hatte, zum Theil die Nacht hindurch marschirt war, sechs Stunden lang fast ununterbrochen das Nahgefecht um die Dörfer bestehen. Manchen stand der Schaum vor dem Munde von der Wuth des Kampfes und der ungeheuren Anstrengung; hier schlürfte Einer mit lechzenden Lippen das Kothwasser aus einer Mistlache, dort brach ein Anderer unverwundet, vor Erschöpfung todt zusammen. Kurz vor 3 Uhr begann Vandamme den Angriff auf den rechten Flügel der Preußen bei La Haye und nahm das Dorf nach zweistündigem blutigem Ringen. Da führt Blücher selbst frische Truppen zum Angriff vor, das Dorf wird zurückerobert, geht aber von Neuem verloren, da eine Attake der preußischen Reiterei nebenan mißlingt. Gleichwohl kommt das Gefecht hier zum Stehen, die Franzosen werden in dem Dorfe fest- gehalten, gelangen keinen Schritt darüber hinaus. Vergeblich sendet Napoleon gegen Abend einen Theil seiner Garde zur Unterstützung Van- damme's; das Corps Zieten's behauptet sich sechs Stunden lang uner- schütterlich. Trafen jetzt die Engländer zur Verstärkung des rechten Flügels ein, so war der Sieg entschieden. Unterdessen war Gerard mit dem rechten Flügel der Franzosen gegen das Dorf Ligny vorgegangen: dort hatten die Preußen das Schloß und die Häuser zur Vertheidigung eingerichtet, ihre Batterien bestrichen wirksam die Fläche vor der Front. Viermal wer- den die Angreifenden zurückgeworfen, und als sie endlich in die Häuser- zeile eindringen, gewinnen sie doch nur die Hälfte des Dorfes. In der anderen Hälfte, jenseits des Baches behaupten sich die Preußen, und nun entbrennt im Innern des Dorfes ein Gefecht von unerhörter Hartnäckigkeit, da beide Parteien aus den dichten Infanteriemassen in ihrem Rücken beständig Verstärkungen an sich ziehen. Bald steht das Schloß und ein großer Theil des Dorfes in Flammen; in der Dorfgasse thürmen