Zweite Einnahme von Paris. 771 sie wieder heimkehrten in die herrliche Tribuna der Ufficien. Die Brücke von Jena wollte Blücher in die Luft sprengen lassen — am liebsten, wenn sich Fürst Talleyrand vorher darauf gesetzt hätte; nur das Einschreiten der Monarchen vereitelte die Absicht. Das Hauptquartier blieb zu St. Cloud. In jenem Saale der Orangerie, wo einst der Staatsstreich des Brumaire vollführt wurde, schlugen die preußischen Regimentsschneider ihre Werkstatt auf; zum Ab- schied nahm der Feldmarschall noch das David'sche Bild von Bonaparte's Alpenzug mit hinweg und schenkte es seinem König für das Berliner Schloß. In Paris führte der Gouverneur Müffling ein strenges Regiment, über die Truppen wie über die ewig scheltenden und jammernden Quar- tierwirthe. Unter ihm gebot der Commandant Oberst Pfuel, ein eifriger Teutone, hochgerühmt auf allen Turn= und Schwimmplätzen der nord- deutschen Jugend; dem handfesten Manne kam es nicht darauf an, einem schimpfenden Franzosen sogleich mit der nationalen Waffe, dem Floret, Satisfaction zu geben. Er hatte einen schweren Stand unter dem siebe- risch aufsgeregten Volke; häufig wurden die preußischen Wachtposten Nächtens angefallen, mehrmals mußten sie in den Arcaden des Palais Royal mit der Waffe einschreiten, wenn der herausfordernde Hohn der Gäste in den Cafehäusern gar zu übermüthig wurde. Einen seltsamen Gegensatz zu dem scharfen, doch keineswegs ge- waltthätigen Auftreten der Preußen bildete Wellington's berechnete Milde. Der Herzog ließ seine Truppen im Freien beim Boulogner Gehölz lagern vermied Alles was die Pariser Eitelkeit irgend kränken konnte, und voll- endete unterdeß in aller Gelassenheit einen Meisterstreich britischer Diplo- matie, der dem gewandtesten Londoner Stockjobber zur Ehre gereichte. Wie er die Dinge ansah, verstand sich's ganz von selbst, daß Englands Wille in diesem Coalitionskriege allein entscheiden mußte. Ohne bei den verbündeten Höfen auch nur anzufragen ließ er den Bourbonen, unter dem Schutze der englischen Bajonette, in die Tuilerien einziehen. Als die drei Monarchen am Abend des 10. Juli in Paris eintrafen, saß König Ludwig schon seit zwei Tagen wieder auf seinem Throne und empfing sie als leutseliger Hausherr. Fouché, der rasch merkte, woher der Wind wehte, hatte sich den Bourbonen noch rechtzeitig angeschlossen und dafür gesorgt, daß die Kammern des Kaiserreichs sich nicht wieder versammelten. Was frommte es, daß Blücher jede Einladung König Ludwig's ausschlug, daß die preußischen Wachen in den Tuilerien den Hof gar nicht bemerken wollten? Die zweite Restauration war vollzogen, durch England allein; an die Wiedervertreibung der Bourbonen konnte keine der anderen Mächte im Ernst denken. Durch diese vollendete Thatsache vereitelte die britische Politik zugleich die gerechten Forderungen der deutschen Nation. Die Ab- trennung von Elsaß-Lothringen war möglich, wenn die Alliirten sich zu- nächst unter sich einigten und dann den Bourbonen in das verkleinerte 49“