Die heilige Allianz. 789 rungen der Coalition noch ein wenig nachgelassen wurde. Die Verbün— deten verzichteten auf die wichtige Maasfestung Givet und auf Condé: der glorreiche Name dieses Platzes war dem Hause der Kapetinger gar zu theuer! Ein Ministerwechsel in den Tuilerien kam dem Abschluß des Friedens- werkes zu statten. Da die legitimistischen Ultras durch die Gewaltmittel des weißen Schreckens den Sieg bei den Kammerwahlen davongetragen hatten, so konnte weder der Königsmörder Fouché noch der vermittelnde Talleyrand sich im Cabinet behaupten. Der Czar half in der Stille nach, da ihm Fouché's Verkehr mit den Engländern verdächtig war; er dachte sogar ernstlich daran, seinem Pozzo di Borgo, dem erklärten Feinde der militärischen Jacobiner Preußens, als einem geborenen Franzosen einen Platz im Ministerium zu verschaffen, fand es jedoch zuletzt klüger den Vertrauten in der sicheren Stellung eines russischen Gesandten zu belassen. Der Herzog von Richelien bildete am 26. September das neue Cabinet, ein wohlmeinender, aber mit Frankreich völlig unbekannter Staatsmann, der sich durch langen Aufenthalt in Rußland das Wohl- wollen des Czaren erworben hatte. Machtlos wie er war, allein ange- wiesen auf die Gunst Alexander's fand er sich rasch in das Unvermeid- liche, und schon am 2. October kam die entscheidende Vereinbarung zwischen Frankreich und den vier Mächten zu Stande. Das Protokoll brauchte wieder den hochtrabenden Ausdruck, die Grenze von 1790 solle die Regel bilden; doch in Wahrheit trat Frankreich nur ab: einen Landstrich an der belgischen Grenze mit Marienburg und Philippeville, ferner den Rest von Savoyen, endlich Landau und Saarlouis mit Saar- brücken. Czar Alexander konnte den Schauplatz seiner Thaten nicht verlassen, ohne die Welt noch einmal durch eine Offenbarung erhabener Gefühle in Erstaunen zu setzen. In den angstvollen Tagen nach der Schlacht von Bautzen hatte König Friedrich Wilhelm einmal tiefbewegt auf einem einsamen Ritt zu seinem Freunde gesagt: „jetzt kann uns nur Gott allein noch retten; siegen wir, so wollen wir ihm vor aller Welt die Ehre geben!" Wie oft war seitdem jene weihevolle Stunde dem Czaren wieder vor die Seele getreten. Hochaufgeregt durch die Weissagungen der Frau von Krüdener und durch ein phantastisches Schriftchen des deutschen Philo- sophen Baader, beschloß er jetzt den hingeworfenen Gedanken seines Freundes nach seiner Weise zu gestalten und schrieb eigenhändig die Ur- kunde der heiligen Allianz nieder, ein persönliches Glaubensbekenntniß, das der Welt zeigen sollte, das neue europäische Dreigestirn verdanke seinen Glanz allein der Sonne Christi. Aller Edelsinn und alle Glaubensinbrunst, aber auch die ganze unklare Gefühlsseligkeit und die weltliche Eitelkeit dieses schwammigen Charakters waren in dem wundersamen Actenstücke niedergelegt. Die Erkenntniß, daß die europäische Staatengesellschaft eine