Erbitterung der Deutschen. 793 Franzosen empfanden nicht nur, wie billig, die mehrjährige Anwesenheit der fremden Truppen als eine unauslöschliche Schmach; sie nahmen auch den beispiellos milden Frieden für eine grausame Beleidigung. Nicht Saarbrücken oder Landau lag ihnen am Herzen; was sie nicht vergessen konnten war die Niederlage von Belle Alliance. Rache für Waterloo: — dies blieb für Jahrzehnte der Schlachtruf des französischen Volkes. Diesem Gedanken entsprangen die Revolution von 1830, die Kriegs— drohungen von 1840 und die Wiederherstellung des Kaiserreiches, bis dann nach einem halben Jahrhundert der alte Herzenswunsch in einem wüsten Eroberungskriege sich entlud und der deutsche Sieger die Unter— lassungssünden von 1815 endlich fühnte. So blieb das Verhältniß zwischen den beiden Nachbarvölkern auf Jahrzehnte hinaus krankhaft unsicher und gespannt. Die Deutschen empfingen die Kunde von dem faulen Frieden mit bitterem Zorne. So recht im Namen seines Volkes rief Blücher: „Preußen und Deutschland steht trotz seiner Anstrengungen immer wieder als der Betrogene vor der ganzen Welt da“ — worauf er dann abermals seinen Ingrimm gegen die Diplomatiker aussprach und zornig fragte, wie lange denn „diese sonderbare Versammlung von Unterthanen, die ihre eigenen Monarchen beherrschen,“ noch bestehen solle. In ihrer naiven Unkenntniß der poli- tischen Verhältnisse hatten viele Deutsche alles Ernstes gehofft, in Paris würden nicht nur die alten Grenzen des Vaterlandes wieder hergestellt, sondern auch die Gebrechen der Bundesverfassung geheilt werden. Schenken- dorf wollte die Hoffnung nicht aufgeben, daß man den Erben der Leopolde und Ferdinande, der die deutsche Krone so kaltblütig verschmähte, nun doch zwingen könnte, sich mit dem alten Purpur zu bekleiden. Der treue Mann konnte die Stunde gar nicht erwarten, da das versteinerte Birnengesicht des Kaisers Franz wieder mit dem Reife der Karolinger geschmückt würde, und sang: O sei denn endlich weiser, Du Herde ohne Hirt, Und wähle schnell den Kaiser Und zwing' ihn daß er's wird! Welche Entrüstung nun unter diesem teutonischen Geschlechte, als sich ergab, daß Alles beim Alten blieb, daß die Kaiserherrlichkeit begraben war, daß Rappoltsweiler und Oberehnheim wieder Ribeauvillé und Obernay heißen, daß die alten schönen Heimathlande deutscher Gesittung wieder von dem Schlamme wälscher Verbildung überfluthet werden sollten, um vielleicht für immer darin zu versinken! In tausend deutschen Herzen hallte die Klage des Dichters wieder: Doch dort an den Vogesen Liegt ein verlornes Gut. Da gilt es, deutsches Blut Vom Höllenjoch zu lösen!