Literarischer Charakter des Zeitalters. 7 Anteil Preußens an der Befreiung Europas der Vergessenheit zu über— geben. Keiner der ausländischen Kriegsschriftsteller, welche in diesen Jahren die Geschichte der jüngsten Feldzüge darstellten, ward den Verdiensten des Blücherschen Hauptquartiers irgend gerecht. Das alte Ansehen der preu— ßischen Armee, die in Friedrichs Tagen jedermann als die erste der Welt gefürchtet hatte, war durch die Siege von Dennewitz und Belle Alliance keineswegs wiederhergestellt. Da der wirkliche Verlauf eines Koalitions— krieges sich nur schwer übersehen läßt, so beruhigte sich die öffentliche Mei— nung Europas gern bei dem einfachen Schlusse: als die Preußen bei Jena allein fochten, wurden sie geschlagen, nur fremde Hilfe hatte sie gerettet. Daher kümmerte sich auch niemand im Auslande um die politischen In— stitutionen, denen Preußen seine Freiheit verdankte. Preußen blieb nach wie vor der am wenigsten bekannte und am gründlichsten verkannte Staat Europas. Vollends der neue Regensburger Reichstag, der jetzt in Frankfurt zusammentrat, erregte durch sein unfruchtbares Gezänk den Spott des Auslandes; und bald nach der wunderbaren Erhebung unseres Volkes stand bei allen Nachbarn wieder die alte bequeme Meinung fest: die deutsche Nation sei durch den weisen Ratschluß der Natur zu ewiger Ohnmacht und Zwietracht bestimmt. Um so bereitwilliger erkannte man nunmehr die geistige Größe dieses machtlosen Volkes an; allein ihren Künstlern und Gelehrten verdankten die Deutschen, daß sie von den alten Kulturvölkern des Westens wieder zu den großen Nationen gerechnet wurden. Sie hießen jetzt im Auslande das Volk der Dichter und der Denker; nur sollten sie auch bei der Teilung der Erde zufrieden sein mit dem Poetenlose, das ihnen Schiller geschildert, und sich begnügen, berauscht vom göttlichen Lichte das Irdische zu verlieren. Zum ersten Male seit den Zeiten Martin Luthers machten Deutsch- lands Gedanken wieder die Runde durch die Welt, und sie fanden willi- gere Aufnahme, als vormals die Ideen der Reformation. Deutschland allein hatte die Weltanschauung des achtzehnten Jahrhunderts schon gänz- lich überwunden. Der Sensualismus der Aufklärung war längst ver- drängt durch eine idealistische Philosophie, die Herrschaft des Verstandes durch ein tiefes religiöses Gefühl, das Weltbürgertum durch die Freude an nationaler Eigenart, das Naturrecht durch die Erkenntnis des leben- digen Werdens der Völker, die Regeln der korrekten Kunst durch eine freie, naturwüchsige, aus den Tiefen des Herzens aufschäumende Peesie, das Übergewicht der exakten Wissenschaften durch die neue bistorisch- östhe- tische Bildung. Diese Welt von neuen Gedanken war in Deutschland durch die Arbeit dreier Generationen, der klassischen und der romanti- schen Dichter, langsam herangereift, sie hatte unter den Nachbarvölkern bisher nur vereinzelte Jünger gefunden und drang jetzt endlich siegreich über alle Lande. Mit wunderbarer Spannkraft nahm Frankreich nach dem langen