Die literarische Geselligkeit. 13 und der Forschung, und wenn es auch aus dem gescholtenen Frankreich kam. Trotz der mystischen Schwärmerei der Zeit bewahrte man sich die alte weitherzige Duldsamkeit. Die Gegensätze des religiösen Lebens hatten sich noch nicht verhärtet; sie griffen noch nicht, wie heutzutage, verfälschend und verbitternd in die politische Parteiung ein. Niemand verwunderte sich, wenn ein Liberaler zugleich ein streng kirchlicher Christ war. Jeder— mann fand es in der Ordnung, daß die katholische Geistlichkeit der Ein— weihung einer evangelischen Kirche mit beiwohnte; selbst eifrige Konvertiten wie F. Schlegel, Stolberg, Klinckowström blieben mit einem Teile ihrer alten protestantischen Freunde in herzlichem Verkehr. Der Kampf der literarischen Parteien schloß die Anerkennung des menschlichen Wertes der Gegner, die herzliche Freude über jeden glücklichen Fund nicht aus. Die lärmende Jugend brüstete sich mit ihrer germanischen Sittenstrenge; die reiferen Männer zeigten in ihrem sittlichen Urteile eine vornehme, frei- sinnige Milde, die in Wahrheit weit deutscher war. Nachsichtig gegen die menschliche Schwäche, legten sie geringen Wert auf den korrekten Lebenswandel, der dem prüden Sinne der Gegenwart als das einzige Kennzeichen der Sittlichkeit gilt, und ließen einen heißblütigen Freund gern gewähren, wenn er nur mithalf bei der Arbeit freier Menschenbil- dung und den Glauben an die göttliche Bestimmung unseres Geschlechts nicht verlor. Nicht ohne Grund sahen die Poeten und Gelehrten mit Ironie auf die Prosa des Philistertums hernieder; sie lebten in der Tat inmitten einer freien geistvollen Geselligkeit, welche das Leben durch das heitere Spiel der Kunst zu adeln wußte und das Schillersche Ideal der ästheti- schen Menschen-Erziehung annähernd verwirklichte. Briefwechsel und Ge- spräch, die natürlichen Vermittler der Tageseindrücke, waren noch nicht durch die Zeitungen verdrängt. Noch bestand die Grundlage aller gesel- ligen Anmut, der zwanglose und häufige Verkehr zwischen den beiden Geschlechtern, da die Frau den Gedanken des Mannes noch ganz zu folgen vermochte. Keine Stadt im Reiche, die nicht ihre Kunstkenner, Sammler und Kritiker, ihre Liebhabertheater und ästhetischen Kränzchen besaß. Wenn das muntere kleinstädtische Völkchen sich beim trüben Schimmer der Talglichter zum einfachen Mahle versammelte, dann steuerten Alle bei was sie vermochten an Rätseln und guten Einfällen, an Liedern und gereimten Trinksprüchen — denn für den poetischen Hausbedarf wußte jeder gebildete Deutsche längst selber zu sorgen. Eine heitere Sinnlichkeit erwärmte das gesellige Leben; beim Pfänderspiele war noch ein Kuß in Ehren erlaubt; die frei und doch gut häuslich erzogenen jungen Mädchen gestanden noch arglos ein, daß ihnen das Käthchen von Heilbronn so recht im Herzen wohlgefiel. Und wie viel Geist und Witz, wie viel übermütige Laune und schwärmerische Begeisterung regte sich in den engeren Kreisen der Eingeweihten: wenn Ludwig Devrient und Callot-Hoffmann in der