Rußland und England. 123 barn preisgeben.“) Inzwischen wuchsen die Besorgnisse des österreichischen Hofes von Monat zu Monat, und um Neujahr 1818 stellte Metternich dem Vertrauten Hardenbergs, Geh. Rat von Jordan, der wegen der deut- schen Bundesangelegenheiten in Wien verweilte, geradezu den Antrag: Preußen möge mit Osterreich ein geheimes Verteidigungsbündnis für den Fall eines russischen Angriffs abschließen. Hardenberg fand sich sofort dazu bereit, da ihm die Freundschaft Osterreichs über allen anderen Rück- sichten stand. Der König aber widersprach: warum sollte Preußen, den unbestimmten Befürchtungen der Hofburg zulieb, seinen alten Bundes- genossen verlassen, der überdies die geheimen Pläne Metternichs bereits durchschaut hatte? Mit bitterem Unmut nahm der Staatskanzler diese abschlägige Antwort entgegen; er meinte nach seiner eigenrichtigen Art, Friedrich Wilhelm spiele wieder eine ähnliche Rolle wie in der traurigen Epoche von 1805. Umsonst rief er den Fürsten Wittgenstein, den unbe- dingten Anhänger Osterreichs, zu Hilfe; umsonst beschwerte er sich, daß ihm sein königlicher Herr so wenig Vertrauen zeige. Der Monarch blieb fest, und am 2. Mai mußte Hardenberg das österreichische Anerbieten ab- lehnen.) Dem englischen Hofe blieb namentlich das vielgeschäftige Treiben der russischen Diplomatie in Spanien hochbedenklich. Hier wie in Frankreich bemühten sich die vier Mächte ernstlich, das wiederhergestellte alte König- tum in den Schranken der Mäßigung zu halten, soweit die Scheu vor dem reizbaren spanischen Nationalstolze dies gestattete. Sie fühlten alle, wie schwer die gemeinsame Sache der europäischen Restauration durch die Sün- den König Ferdinands geschädigt wurde. Die ganze liberale Welt geriet in Aufruhr und Lord Byron sang flammende Verse wider den katholischen Moloch, als der verworfenste der europäischen Fürsten sogleich nach seiner Rückkehr die Inquisition wiederherstellte, als er die Helden jenes Volks- krieges, der den Bourbonen ihren Thron zurückgegeben, mit grausamen Strafen verfolgte, als aus den Reihen seiner mönchischen Anhänger der wahnwitzige Ruf erklang: es leben die Ketten, es lebe der Druck, es lebe König Ferdinand, es sterbe die Nation! Aber während alle Mächte in der Verurteilung dieser Regierung einig waren, versuchte Rußland zugleich die Machtstellung zu untergraben, welche England während des Unabhängig- keitskrieges auf der Halbinsel errungen hatte. Der Gesandte des Zaren Tatischtschew gewann in Madrid allmählich noch größeren Einfluß als Pozzo di Borgo in Paris. Man bemerkte bald, daß Rußland die Erneuerung des alten bourbonischen Familienvertrages wünschte, um dereinst die Seemacht der beiden Kronen gegen England verwenden zu können. Der unermüdliche *) Denkschrift der englischen Regierung über die Lage Europas; Metternichs Aperçeu sur le mémoire anglais (im August und Oktober 1816 von Krusemark an Hardenberg gesendet). *“) Hardenbergs Tagebuch, 14. Jan., 12. März, 2. Mai 1818.