190 II. 5. Die Wiederherstellung des preußischen Staates. samt ebenso leer wie seine Bücher doch immer den Eindruck erregten, als ob sich ein tiefer Sinn hinter dem Wortschwall verbärge. Durch ihn ward die Kunst, hohle Worte zu einem glitzernden Gewebe zu verknüpfen, zuerst in die preußische Politik eingeführt — eine Kunst, die unter dem ge— strengen alten Absolutismus ganz unbekannt gewesen war und erst später— hin, in der parlamentarischen Epoche, ihre üppigsten Blüten entfalten sollte. Von Haus aus ein Freund der Ruhe und der überlieferten Ordnung hatte er im Juni 1789 zu Versailles selber mit angesehen, wie die Vertreter des Dritten Standes sich die Rechte einer Nationalversammlung anmaßten und also den Sturz des Königtums vorbereiteten. Seit jenem Tage lag ihm die Angst vor der Revolution in allen Gliedern, und als das revo— lutionäre Weltreich endlich gefallen war, wahrlich ohne Ancillons Zutun, da wendete sich der Zaghafte den Ansichten Metternichs zu und folgte ge— lehrig jedem Winke der Hofburg. Geschäftig trug er die Anschuldigungen der Schmalzischen Schrift in der Hofgesellschaft umher, und obwohl er sich noch hütete den Staatskanzler offen zu bekämpfen, so sprach er doch jetzt schon mit verdächtigem Eifer von den unermeßlichen Schwierigkeiten, welche dem Verfassungsplane entgegenständen, und wer den Mann kannte mußte erraten, daß er insgeheim zu Wittgensteins Partei gehörte. Das Volk begann den geheimen Parteikampf am Hofe zuerst zu be— merken, als bald nach dem Frieden einige unerwartete Veränderungen in den rheinischen Provinzen erfolgten. Dort am Rhein war die festliche Stim— mung der Kriegsjahre so schnell nicht verflogen. Die preußischen Offiziere und Beamten, die das teuer erkaufte Grenzland jetzt dem deutschen Staats— leben einfügen sollten, schauten mit dem Hochgefühle des Siegers um sich; sie schwelgten in den Reizen der schönen Landschaft und in der hellen Lebenslust der rheinischen Geselligkeit. Ihnen war, als ob die Heldenkraft des Nordens hier mit der Anmut des reichen Südens fröhlich Hochzeit hielte. Um Gneisenau, der in Koblenz befehligte, sammelte sich ein froher Kreis von bedeutenden Männern und schönen Frauen, der selbst die leicht— lebigen Bewohner der alten Bischofsstadt zu dem Geständnis zwang, daß ihre neue Landesherrschaft doch über ganz andere geistige Kräfte gebot als weiland der kurtriersche Hof und der Präfekt Napoleons. Da waren Clausewitz und Bärsch, einer von Schills Gefährten; der tollkühne Husar Hellwig und der hünenhafte Karl v. d. Gröben, der einst als Gnei— senaus Vertrauter, fast so abenteuerlich wie sein Ahn, der afrikanische Held des großen Kurfürsten, von Land zu Land gezogen war um den heiligen Krieg vorzubereiten; dann die romantischen Schwärmer Max von Schenkendorf, Werner von Haxthausen, Sixt von Armin, der Pädagog Johannes Schulze und der gelehrte Sammler Menusebach. Wenn Gneisenau abends die Damen in dem Wagen Napoleons, dem Beutestücke von Belle Alliance, zu einem Feste abholen ließ und nun in seiner heiteren Hoheit, gebieterisch und doch bescheiden, errötend vor dem eigenen Ruhm, inmitten