Die neuen Provinzialbehörden. 193 und Westpreußen, wurden später mit den Nachbarprovinzen Jülich-Cleve— Berg und Ostpreußen vereinigt: die sechs anderen, Brandenburg, Pommern, Schlesien, Posen, Sachsen, Westfalen, bestehen noch heute unverändert. Es war das Werk des Königs, daß die im Jahre 1810 durch Hardenberg aufgehobenen Ämter der Oberpräsidenten wiederhergestellt wurden. Friedrich Wilhelm wünschte, in großen, lebensfähigen Provinzen die Eigenart der Stämme und Landschaften sich frei entfalten zu lassen; er wollte, daß die bedachtsame Unparteilichkeit der kollegialischen Regierungen an der Tat— kraft und dem persönlichen Ansehen der vorgesetzten Einzelbeamten ihre Ergänzung fände und die Verwaltung dergestalt die Vorzüge des kollegia— lischen und des bureaukratischen Systems vereinigte. Zugleich hegte er jetzt schon die Absicht, neben jeden Oberpräsidenten einen kommandierenden General zu stellen und also, nach dem Vorbilde Osterreichs und Ruß- lands, die militärische Einteilung des Landes der Zivilverwaltung an- zupassen. Den Vorschlag Bülows, die Regierungskollegien durch Prä- fekten zu ersetzen, lehnte der König rundweg ab und verwarf auch den Plan, ihnen selbständige Finanzkollegien an die Seite zu stellen..)) Sie behielten ihre kollegialische Form; zerfielen aber fortan in zwei Abtei- lungen, deren eine unter der Aufsicht des Ministers des Innern die Hoheitssachen, die Polizei und das Gemeindewesen bearbeitete, während die zweite, dem Finanzminister untergeordnet, das Finanzwesen und die Gewerbeangelegenheiten übernahm, so daß jeder Minister so weit möglich seine eigenen, von ihm allein abhängigen Organe erhielt. Bei der Abgrenzung der neuen Verwaltungsbezirke verfuhr die Re- gierung mit höchster Schonung, mit jener Pietät für das historisch Ge- gebene, die von altersher im Charakter der preußischen Staatskunst lag. Sobald ein Dorf aus seinem alten Kreisverbande ausgeschieden werden sollte, mußten zwei Ministerien ihr Gutachten abgeben; der König selbst entschied und, wo irgend möglich, rücksichtsvoll nach dem Wunsche der Einwohner. Gleichwohl ließ sich die Störung mancher altgewohnten Ver- hältnisse nicht vermeiden, da die neuerworbenen Länderfetzen unter ein- ander und mit den alten Gebietsteilen in krausem Gemenge lagen. Keine von den alten Provinzen konnte ihre alten Grenzen unverändert behalten. Sofort begann denn ein allgemeines Sturmlaufen gegen die Regierung. Die ungeheure Macht des Partikularismus, in Preußen um nichts schwächer als in den kleinen deutschen Staaten, erhob sich aufgescheucht; die tausend und tausend zähen Interessen des örtlichen Kleinlebens, an denen der Sturm einer ungeheuren Zeit unbemerkt vorübergerauscht war, riefen um Hilfe. Aus unzähligen Eingaben erklang überall dieselbe starr konservative Ge- sinnung, überall derselbe Jammerruf: „wir wollen uns nicht trennen von unseren Brüdern, die mit uns Freud' und Leid in schwerer Zeit geteilt." *) Entwurf einer „Verordnung wegen Einrichtung der Provinzialregierungen und Finanzkollegien“, Frühjahr 1815. v. Treitschke, Deutsche Geschichte. U. 13