196 II. 5. Die Wiederherstellung des preußischen Staates. werden; die Stadt Herford erklärte dem Staatskanzler in einer pomp- haften Zuschrift: sie könne und werde keinem Kreise beitreten, sie besitze ein Recht auf „fernere Selbständigkeit und Immedialität“; nur unter diesem Vorbehalte habe Herford einst dem großen Kurfürsten gehuldigt. Die weitaus größten Schwierigkeiten bot doch die Neuordnung der vor- mals sächsischen Gebiete, welche ohnehin der neuen Landesherrschaft anfangs fast ebenso feindselig wie die Polen gegenüberstanden. Alles wehklagte über den Untergang der sächsischen Nation; in Naumburg riß der Pöbel die schwarzen Adler in den Kot, selbst die Ruhigen bezeichneten sich weh- mütig als Mußpreußen — ein Ausdruck, der in manchen Landstrichen noch viele Jahre im Schwange blieb. So lange die Erwerbung des ge- samten Königreichs Sachsen in Aussicht stand, hatte Hardenberg nur an eine Personal-Union zu denken gewagt. Jetzt, da man sich mit der Hälfte des Landes begnügen mußte, ergab sich sofort, daß diese Trümmer nicht einmal in einer Provinz zusammenbleiben konnten. Kaum die Anfänge der Staatseinheit, gleichmäßiger moderner Staatsordnung waren durch das schläfrige altständische Regiment Kursachsens geschaffen; die Lande, die man das Herzogtum Sachsen nannte, bestanden in Wahrheit aus sieben lose verbundenen Territorien: aus den Markgrafschaften Ober= und Nieder- lausitz, den beiden Stiftern Merseburg und Naumburg, dem Fürstentum Querfurt, der Grasschaft Henneberg und einem Stücke der sächsischen Erb- lande. Trotzdem baten die Vertreter des Adels, als im Herbst 1815 eine sächsische Deputation in Berlin erschien, „um Erhaltung der Integrität und Nationalität des Herzogtums Sachsen“; andere, darunter die Bürger- meister, verwahrten sich dawider und erklärten, sie hegten volles Zutrauen zu der bürgerfreundlichen Regierung Preußens.“) Zur selben Zeit sprachen die Niederlausitzer Stände für die Erhaltung ihrer Privilegien; die Stände der Oberlausitz aber verlangten, „daß die Provinz Lausitz mit keinem anderen Teile der Monarchie verbunden werde“: die beiden Lausitzen sollten ein selbständiges Gesamtreich bilden mit der Hauptstadt Görlitz-) Wie war es möglich, allen solchen partikularistischen Begehren, die ein- ander ins Gesicht schlugen, gerecht zu werden? Zudem lagen diese Land- schaften weithin zerstreut von Görlitz bis Langensalza, abgetrennt von ihrem natürlichen Mittelpunkte, dem Meißnerlande, das bei Sachsen geblieben war. Die Regierung beschloß daher nach längerem Schwanken, die weit nach Osten abgelegene Niederlausitz mit Brandenburg, die Oberlausitz mit Schlesien zu verbinden und vereinigte die übrigen Stücke des Herzogtums Sachsen mit der Altmark, dem Herzogtum Magdeburg und dem kurmainzi- schen Eichsfelde zu einer neuen Provinz. So kamen die vormals sächsischen Landesteile an drei Provinzen und sechs Regierungsbezirke. Was Wunder, —–.- — —— *) Eingabe der Stadt Herford an Hardenberg, 6. Novbr. 1816. **) Schuckmanns Bericht an Hardenberg, 15. Nov. 1815. *“*) Eingabe der Oberlausitzer Stände an den Staatskanzler, 28. Juni 1815.