208 II. 5. Die Wiederherstellung des preußischen Staates. wirrung, welche durch das übereilte Verfassungsversprechen hervorgerufen wurde. Bei alledem zeigte sich viel gesunder Menschenverstand und schließlich, obgleich jede Provinz ihre besonderen Beschwerden vorbrachte, doch eine überraschende Ubereinstimmung. Die Notabeln fanden zuerst eine Ant- wort auf die schwierige Frage, was an die Stelle der verworfenen in- direkten Steuern treten solle. Während der letzten Jahre hatte der Ge- danke einer allgemeinen, in wenige große Klassen abgestuften Personen= steuer in der Stille seinen Weg gemacht, ein Gedanke, der bereits in der ersten Zeit der Hardenbergischen Verwaltung von dem Finanzrat von Prittwitz- Quilitz, einem landeskundigen, angesehenen Landwirt aufgebracht worden war. Er entsprach der herrschenden volkswirtschaftlichen Theorie wie dem allgemeinen Abscheu gegen das indirekte Steuersystem der Franzosen und schien leicht durchführbar, da die Masse des Volks noch seßhaft, unbeweg- lich in patriarchalischen Lebensverhältnissen verharrte. An eine Einkommen- steuer wagte man noch nicht zu denken; sie war schon durch den vergötterten A. Smith, neuerdings auch durch F. von Raumer als tyrannisch gebrand- markt und vollends in Verruf gekommen, seit der Versuch ihrer Einfüh- rung in der bitteren Not des Jahres 1812 mit einem Mißerfolge ge- endet hatte. Im Staatsrate trat der gelehrte Statistiker J. G. Hoffmann zuerst nachdrücklich für die Klassensteuer ein und fand Anklang bei der Mehrzahl der Oberpräsidenten. Als nun die Notabeln ratlos nach einem Ersatze für die Mahl= und Fleischsteuer suchten, wurden sie von ihren Vorsitzenden auf diesen Ausweg hingewiesen. So geschah es, daß die Mehrheit der Notabelnversammlungen die Einführung einer abgestuften Personensteuer — einer „fixierten Konsumtionssteuer“, wie die Schlesier sich ausdrückten — bei dem Staatskanzler befürwortete. Auf diese Gut- achten gestützt entwarf dann Hoffmann (27. Okt.) eine große Denkschrift über die Klassensteuer und wies damit der preußischen Steuerpolitik einen neuen Weg, der freilich erst nach abermals zwei Jahren schwieriger Ver- handlungen zögernd betreten wurde. Während alle anderen Großmächte in verschiedenen Formen das System der überwiegenden indirekten Ab- gaben beibehielten, wendete sich Preußen mehr und mehr der Ausbildung seiner direkten Steuern zu. Die neue Steuerpolitik, welche sich hier an- kündigte, war die Politik eines tief verarmten Staates, der das Geld nehmen mußte wo er es fand, eines wohlwollenden Absolutismus, der zwar die Anfänge der Selbstverwaltung bereits geschaffen hatte, aber von den Geldbedürfnissen großer Städte noch keine klare Vorstellung besaß, einer friedfertigen Regierung, die auf lange Jahre ungestörter Ruhe rechnete und darum sich nicht scheute, den Notpfennig der Kriegszeiten, die direkten Steuern, schon im Frieden scharf anzugreifen. Der lange Kampf im Staatsrate war, zu Schuckmanns Kummer, „den Horchern an der Tür mit den Schreiberklauen“ nicht unbekannt