Das Jubelfest der Reformation. 243 ruhigte.“) Dann folgten Baden und einige hessische Provinzen, kurz alle die deutschen Landschaften, in denen die beiden Kirchen zahlreich vertreten waren. Dem glücklichen Beginne entsprach der Fortgang des großen Unter— nehmens nicht ganz. Die Ehrlichkeit des Königs hatte verschmäht, den Streit der Bekenntnisse durch eine künstliche Eintrachtsformel scheinbar zu schlichten; die Union beruhte auf der Hoffnung, daß der Geist christ— licher Liebe über die alten Unterscheidungslehren hinwegsehen und sie nicht mehr als ein Hindernis der kirchlichen Gemeinschaft betrachten werde. Aber diese Erwartung erwies sich überall dort als irrig, wo die Lutheraner noch fast ungemischt zusammen hausten, wo der Name der reformierten Saker— menter noch als ein Schimpfwort galt und die Union nicht als ein prak— tisches Bedürfnis empfunden wurde: so in Sachsen, in Mecklenburg, in Holstein. Den strengen Lutheranern erschien das fromme Werk des Königs wie eine Empörung der Vernunft gegen die Offenbarung; denn das religiöse Gefühl verlangt, gleich dem künstlerischen, überall nach der allerbestimmtesten Gestaltung seiner Ideale und fürchtet leicht die Heils— wahrheit selber zu verlieren wenn auch nur ein Buchstabe der Schrift als unwesentlich betrachtet wird. Mit leidenschaftlichem Ungestüm vertrat Klaus Harns diese Ansicht in den 95 neuen Thesen, die er zum Refor— mationsfeste hinaussandte. Dem glaubenseifrigen Holsten stand das Bild Luthers vor der Seele, wie er bei dem Marburger Religionsgespräche sich die Worte „das ist mein Leib“ groß auf den Tisch geschrieben hatte und auf alle Einwände starr erwiderte: ich kann nicht wider die Schrift. War damals — so erklärte Harms — Christi Leib und Blut im Brot und Wein, so ist es auch noch heute so. Triumphierend empfahl der sächsische Oberhofprediger Ammon die neuen Thesen als eine bittere Arznei für die Glaubensschwäche der Zeit. Der Dresdner Rationalist, der nur welt— klug das Interesse der größten lutherischen Landeskirche zu wahren suchte, wurde freilich durch eine geharnischte Entgegnung Schleiermachers rasch abgetan; doch der tiefe Glaubensernst des Kieler Predigers war durch wissenschaftliche Überlegenheit nicht zu besiegen. Auch der wackere Super— intendent Heubner in Wittenberg versagte sich der Union, und bald er— wachte dort in den Lutherlanden ein zäher, stiller Widerstand, der, ent— sprungen aus den geheimnisvollen Tiefen des Gemütslebens, mit schonender Zartheit behandelt werden mußte. Von solcher Milde besaß das preußische Kirchenregiment nur wenig. Nimmermehr freilich wollte der König die Gewissen bedrücken; doch je fester er von seiner eigenen Glaubenstreue überzeugt war, um so weniger konnte er die ehrliche Gesinnung der Widerstrebenden verstehn. Er durfte *) Nach den schon im 1. Bande erwähnten Aufzeichnungen des bayrischen Ober— konsistorialrats v. Schmitt. 16“