Fürst A. Radziwill. Zerboni. 247 ward er freilich, gleich dem Statthalter, selber besorgt über die Folgen seines Systems, da er den Charakter der Polen schon vor Jahren bei der Verwaltung Südpreußens gründlich kennen gelernt hatte. Unbefangene konnten über die Hintergedanken des polnischen Adels nicht im Zweifel sein. Mit unerhörter Dreistigkeit erklärten seine Führer der Regierung ins Gesicht, daß ihr Land einen Staat im Staate bilden solle bis zur dereinstigen Wiedervereinigung mit Warschau. Selbst einer der Gemäßigten, General von Kosinsky, der jetzt preußische Uniform trug und mit dem Statthalter viel verkehrte, forderte von seinem fürstlichen Freunde die Bildung einer rein „nationalen“ Armee mit ausschließlich polnischen Offizieren, da die deutschen von den Polen doch nur als Agenten der geheimen Polizei betrachtet würden. Ein anderer Gemäßigter, Morawsky sendete der Staatskanzlei eine lange Denkschrift über die pol- nische Nation. Er hob an mit der Versicherung: „wer die jetzigen Polen mit denen von 1806 vergleicht, irrt um ein ganzes Jahrhundert.“ Zur Bestätigung dieses Ausspruchs führte er sodann aus: die polnische Kultur sei älter als die deutsche, wenngleich neuerdings die Tat das Wort ver- drängt und die Fruchtbarkeit der polnischen Literatur sich vermindert habe. Darauf warf er der Krone Preußen „das System des Verdeutschens und Vernationalisierens“ vor und beklagte namentlich, daß die polnische Ge- schichte in den Schulen nicht mehr als besonderer Lehrstoff behandelt würde: „seitdem fangen die Mütter an, ihren Säuglingen die National- geschichte einzuprägen.“ Zum Schluß verlangte er Bürgschaften für den Bestand der polnischen Nationalität, vornehmlich folgende vier Punkte: einen Statthalter aus dem königlichen Hause oder aus polnischem Ge- schlecht; einen Provinziallandtag, der durch einen stehenden Ausschuß die Rechte der Polen verteidigen und eine Kommission zur Leitung des Schul- wesens wählen sollte; alle Amter, auch die geistlichen und Schulstellen, ausnahmslos durch Eingeborene, auf Vorschlag der Provinzialstände be- setzt; endlich zwei polnische Räte, einen Zivilbeamten und einen katho- lischen Geistlichen, die dem Könige, dem Staatsrate und dem Staats- kanzler über die Posener Angelegenheiten Vortrag halten müßten. Ein dritter polnischer Edelmann übergab dem Vertrauten des Statthalters, Major von Royer eine Denkschrift, worin kurzweg erklärt ward: diese Land- schaft werde nicht eher eine preußische Provinz als bis sie von Polen förmlich abgetrennt sei; bis dahin müsse sie als polnisches Land behandelt werden. Also dürfe man von den Polen keinen Eid fordern — denn „diesen verbrecherischen Eid zu halten wäre ein zweites Verbrechen“ — auch keinen von ihnen irgend auszeichnen, da die Dekorierten sich im Kampfe gegen die Fremdherrschaft immer besonders hervorgetan hätten.) *) Joseph v. Marowsky, Denkschrift über die polnische Nation, 29. Dezember 1817. Mémoire sur les affaires polonaises, von Royer an Gneisenau übersendet, 6. April 1817.