318 II. 6. Süddeutsche Verfassungskämpfe. mütigkeit jenes alten Herzogs lag freilich gar nichts in der herzlosen, kalt verständigen Natur des neuen Königs. Zu Lüben in der preußischen Garnison geboren, war der Prinz in seiner Jugend so gut preußisch ge— sinnt wie sein Großvater Friedrich Eugen; damals schrieb er sich noch Friedrich Wilhelm. Als er nach der Jenaer Schlacht die Preußen miß— achten lernte, blieb er doch noch immer ein stolzer deutscher Offizier und widersetzte sich entschieden der französischen Politik seines Vaters; der hef— tige Zwist im königlichen Hause wurde bald landkundig und warb dem Kronprinzen viele geheime Verehrer, obschon der Trotz des lieblosen Sohnes an diesen Händeln ebenso viel Schuld trug als die bonapartistische Ge— sinnung des harten Vaters. Auf Befehl des Königs schloß der Prinz widerwillig mit der bayrischen Prinzessin Karoline Auguste eine Ehe, welche niemals vollzogen und für beide Teile unselig wurde.“) Die Lorbeeren der napoleonischen Siegeszüge reizten ihn nicht; erst als Württemberg zu den Verbündeten übergegangen war, nahm er am Kampfe teil und be— währte sich in dem französischen Winterfeldzuge, namentlich in dem blutigen Treffen von Montereau, als ein tüchtiger Korpsführer, so daß der schwä— bische Dichter Wilhelm Hauff den Heimkehrenden als „Prinz Wilhelm, den edlen Ritter“ feierte. Auf seinen Charakter wirkten diese militärischen Erfolge nicht günstig; sie verschärften den Zug menschenverachtender Uber- hebung, den er mit seinem Vater teilte, und da er die kleinstädtischen Vorurteile seiner Landsleute weit übersah, so ward er auch durch die Er- fahrungen des heimischen Verfassungskampfes nur bestärkt in dem Wahne, daß er selber alles am besten verstehe. Ein unbändiger Ehrgeiz nagte rastlos an seiner Seele; allen deut- schen Fürsten glaubte er überlegen zu sein. Längst war das Schwaben- land seinen Plänen zu klein; schon auf dem Wiener und dem Pariser Kongresse wurde die diplomatische Welt mehrmals durch wundersame Ent- würfe überrascht, welche dem Helden von Montereau eine glänzende Ehren- stellung, das Feldherrnamt des Deutschen Bundes in Mainz oder die Landesherrschaft im Elsaß zudachten. Die Träume des Prinzen nahmen einen noch höheren Flug, als er, nach Auflösung der Ehe mit der Bayerin, die Schwester des Zaren, Großfürstin Katharina heimführte, eine geistreiche, lebhafte, unternehmende Frau, die einst während des russischen Krieges gleich den tapfersten Männern an der Rüstung des Heeres gearbeitet hatte und sich ungern in die kleinen Verhältnisse der neuen Heimat fand. „Wie sollen“, schrieb damals Küster, „drei so bedeutende, energische und lebhafte Menschen wie Friedrich, Wilhelm und Katharina sich ver- *) Eine in Württemberg weit verbreitete und auch in die ersten Auflagen dieses Buchs übergegangene Legende behauptet, daß Kronprinz Wilhelm die Ehe geschlossen habe um der Verheiratung mit Stephanie Beauharnais zu entgehen. Die Erzählung ist falsch; denn Stephanie wurde bereits am 8. April 1806 mit dem Kurprinzen Karl von Baden vermählt, die Hochzeit des Kronprinzen Wilhelm fand erst am 8. Juni 1808 statt.