332 II. 6. Süddeutsche Verfassungskämpfe. Die rheinbündische Politik entsprach nicht bloß seinem dynastischen Inter- esse, sondern auch seiner persönlichen Neigung, und nur ungern gab er sie wieder auf, obschon ihm längst das Herz blutete über alle die Opfer, welche der Protektor dem bayrischen Lande abforderte. Die Frage, ob er nicht auch politische Pflichten gegen Deutschland habe, kam ihm niemals in den Sinn; die Erhebung von 1813 war ihm ein Rätsel, und willig lieh er den Anklägern der preußischen Jakobiner sein Ohr. Dabei blieb er doch, gleich vielen andern Rheinbundsfürsten, auf seine Weise ein deutscher Landesvater, ehrlich gewillt sein Volk zu beglücken und mit ihm in Frieden zu leben. Uberall wo er erschien, gewann er durch seine zu- tuliche Gutmütigkeit die Herzen der Menge; selbst in Berg, das ihm nur wenige Jahre angehörte, blieb sein Andenken gesegnet. In Altbayern ward er als Retter des Landes sofort mit überströmender Freude emp- fangen und fühlte sich bald von Herzen glücklich. Er lebte sich ein in den gemütlichen Landesbrauch, der seiner eigenen derben Natürlichkeit zusagte, trug große Ohrringe gleich einem echten Bajuvaren und liebte die rüstigen Mannen des Hochgebirgs, auch die Tyroler Rebellen, wie seine Kinder: das konnte er den Franzosen lange nicht vergeben, daß sie ihm seinen Andree Hofer erschossen hatten. In seinen letzten Jahren pflegte er sein Sommerlager in Tegernsee aufzuschlagen, in der alten Abtei am stillen Waldsee, wo alles was altbayrische Herzen liebten unter einem Dache vereinigt lag: ein Königsschloß, eine Kirche und ein Bräu; da war weitum, bis hinauf zu dem einsamen Wildbade Kreuth, kein Bauernhof, wo Vater Max nicht einmal mit seinen anmutigen Töchtern zum Besuche erschien oder Gevatter stand oder überreichliche Wohltaten spendete. Wäre nur dies unerschöpfliche Wohlwollen nicht mit so viel ge- dankenloser Schwäche gepaart gewesen! Der Hof ward nicht leer von Gaunern und Bettlern, ganz München kannte die Vorliebe des Königs für liebenswürdige Schuldenmacher; ein Heer von Schmarotzern, darunter sogar ein königlicher Hofnarr, empfing stattliche Pensionen. Die Geld- verlegenheiten der Krone nahmen kein Ende, und der Hofbankier Selig- mann-Eichthal ward immer reicher, obwohl der König für sich selbst kaum mehr brauchte als vor Jahren, da er aus Straßburg geflüchtet zu Rohrbach an der Bergstraße seinen bürgerlichen Haushalt führte. Wenn die Furcht diesen weichen Gemütsmenschen überkam, dann ver- leugnete er Mannesstolz und Fürstenwürde und scheute sich nicht zu kriechen und zu lügen. Alle die Unwürdigkeiten der jüngsten Jahre, alle die Erniedrigungen des Hauses Wittelsbach, die von dem prahlerischen Dünkel des neuen Königtums so häßlich abstachen, gingen von dem Monarchen unmittelbar aus. Bayerns zweizüngige Politik beim Ausbruch des Krieges von 1805 ließ sich durch die Not entschuldigen; verächtlich ward sie erst als König Max dem Kaiser Franz sein Ehrenwort für eine