348 II. 6. Süddeutsche Verfassungskämpfe. den Staatsmann, der ihm die Königskrone errungen hatte, in den schnö— desten Formen, ganz nach dem Brauche jener launischen altwürttember— gischen Despoten, die ihre Günstlinge mit einem theatralischen Fußtritt zu beseitigen pflegten. Um Mittag empfing der Minister statt des er- warteten königlichen Besuchs ein Handschreiben, das ihm mit dürren Worten den Abschied gab. Der Schlag fiel so unvermutet, daß die Münchener anfangs meinten, der allmächtige Minister müsse ein Staats- verbrechen begangen haben. Der Kronprinz aber triumphierte laut und sagte zu dem preußischen Gesandten: „so ist meine Krankheit doch zu etwas gut gewesen.“ Das ganze Land atmete auf bei dem Sturze des verhaßten Bureaukraten. Auch die beiden Großmächte verbargen ihre Freude nicht; auf Befehl Hardenbergs mußte Küster die lebhafte Be- friedigung seines Hofes aussprechen.) Der Erfolg der Katastrophe war zweischneidig: sie beseitigte das schwerste Hindernis des Verfassungswerks, aber auch die einzige Kraft, welche den unseligen Konkordatsverhandlungen noch eine leidliche Wen- dung geben konnte. Die Klerikalen sahen sich eines furchtbaren Feindes entledigt, jedoch zur Herrschaft gelangten sie nicht. Noch am nächsten stand ihnen der neue Minister des Auswärtigen, Graf Aloys Rechberg; für das Finanzwesen dagegen ward Frhr. von Lerchenfeld berufen, ein offener Gegner der römischen Ansprüche und eifriger Förderer der Verfassungs- arbeit; der Minister des Innern Graf Thürheim, ein bekehrter Illu- minat, zeigte sich schwach und unfähig. Zudem erhielten die General- direktoren der Ministerien jetzt erweiterte Befugnisse, so daß sie fast wie Mitglieder des Kabinetts erschienen; auch Wrede und der Generalsekretär Kobell mischten sich beständig ein. Kein Wunder, daß der alte Häffelin in Rom unter dieser steuerlosen Regierung sich nicht mehr zu helfen wußte. Wohl erhielt er von Thürheim eine scharfe, noch unter Mont- gelas verfaßte Instruktion, welche das Recht des Staates die äußeren Rechtsverhältnisse der Kirche selbständig zu ordnen nachdrücklich verwahrte; aber er meinte an diese Weisung nicht ernstlich gebunden zu sein seit der Wind in München umgeschlagen war. Schritt für Schritt ließ er sich in die Enge treiben; der Günstling der Bourbonen, Graf Blacas, der ebenfalls in Rom wegen eines Konkordats unterhandelte, ermahnte den Bayern zur Nachgiebigkeit. Am 5. Juni unterzeichnete Höäffelin, seinen Instruktionen zuwider, ein Konkordat, das allen Hoffnungen der Ultramontanen genügte; gleich im Eingang war die übermütigste For- derung des Vatikans zugestanden: die römische Kirche sollte aller der Rechte teilhaftig werden, welche ihr nach Gottes Ordnung und den ka- nonischen Vorschriften gebühren. Als die unbegreifliche Nachricht in München eintraf, wollten die *) Küsters Berichte, 12. 16. Febr.; Hardenbergs Weisung, 4. März 1817.