354 II. 6. Süddeutsche Verfassungskämpfe. konnten das Ansehen des bayrischen Hofs bei den großen Mächten, das ohnehin seit dem Hervortreten der pfälzischen Eroberungspläne tief ge- sunken war, nicht erhöhen; jedoch dem Papste gegenüber stand Bayern im Vorteil. Die Kurie war in ihren eigenen Netzen gefangen; sie hatte selber gehofft, die Veröffentlichung des Konkordats als eines Staatsge- setzes könne ihr zum Nutzen gereichen, und sah sich nun fast wehrlos, als dies Staatsgesetz durch ein anderes Gesetz von Rechtswegen einge- schränkt wurde. Das große Publikum blieb ohne nähere Kenntnis von allen den häßlichen Wendungen dieser verworrenen Händel und freute sich unbefangen des Sieges der weltlichen Gewalt. Einige Monate lang genoß Bayern die wohlfeile Freude, von der gesamten deutschen Presse als der liberalste aller deutschen Staaten verherrlicht zu werden. In Bayern befreite die Erfüllung des Art. 13 den weltlichen Arm von der Last des Konkordats, in Baden rettete sie den Bestand des Staates selber. Schon seit einigen Jahren befand sich das junge Groß- herzogtum in einem gefährlichen Zustande arger Zerrüttung, und fast schien es als sollte dies künstliche Staatsgebilde ebenso schnell wie es entstanden war wieder verschwinden. Das alte Haus der Zähringer hatte einst weithin am Oberrhein bis in das schweizerische Uchtland hinauf geherrscht und mit den Staufern um die schwäbische Herzogs- würde gerungen; seine Städtegründungen Bern und die beiden Frei- burg erzählten von seinem Ruhme. Aber schon im dreizehnten Jahr- hundert begann der Verfall, die Zähringer sanken zurück in die Reihe der kleinen Dynasten. Als Markgraf Karl Friedrich von Baden--Durlach um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts die Herrschaft antrat, gebot er über ein Ländchen von kaum dreißig Geviertmeilen, das von der Schweizer Grenze bis über Karlsruhe hinab in mehreren Stücken zer- streut lag und zum Reichsheere ein Simplum von 95 Mann stellte. Als seine zweiundsechzigjährige Regierung im Jahre 1811 zu Ende ging, hatte sich das Gebiet fast verzehnfacht. Zuerst wurde das katholische Baden-Baden mit dem lutherischen Durlach vereinigt; dann schüttete Napoleon das buntscheckige rechtsrheinische Ufergelände von Konstanz bis Mannheim zu einem seltsamen Staate zusammen, der sechzig Meilen lang am Rheine hingedehnt, an seiner schmalsten Stelle nur zwei Meilen breit, fast allein aus Grenzbezirken bestand. Die vorderösterreichischen Landschaften Nellenburg, Breisgau, Ortenau, die rechtsrheinische Pfalz und Bruchstücke der Bistümer Konstanz, Straßburg, Speier wurden mit zahllosen kleineren Gebieten von Fürsten, Grafen, Reichsrittern und Reichsstädten zusammengeworfen. Zwei Drittel der Untertanen der pro- testantischen Dynastie waren katholisch, fast ein Drittel des Landes gehörte