Isis und Nemisis. 409 der politische Text zuweilen fast so bunt aussah wie die Kupfertafeln mit den Bildern der Quallen und Knorpelfische daneben. Aus den politischen Aufsätzen sprach ein schrullenhafter Radikalismus und zugleich ein naiver Gelehrtendünkel: die Weimarische Verfassung verdiente gar nicht den Namen einer Verfassung, weil sie von den dreiundzwanzig unentbehrlichen Grundrechten jeder wahren Charte nur ein einziges, die Preßfreiheit ge— währte und — weil sie den Nährstand, die dummen „von den Pandek— tenhengsten gereitelten“ Bürger und Bauern, so unbillig vor dem Wehr— und Lehrstande, dem Adel und den Professoren, bevorzugte! Kein einziger politischer Artikel in diesem ungeheuerlichen Gepolter, der die Leser belehrt oder ihren Willen auf ein bestimmtes Ziel gerichtet hätte. Immer nur fanatische Anklagen gegen die Fürsten und Diplomaten, welche unser „Ge— samtvolk zu einem Provinzialvölkleins-Schober gemacht“ haben; immer nur Hohn über die unverbesserliche Faulheit des lebenden Geschlechts: „nur von der Jugend ist noch etwas zu erwarten.“ Das beste publizistische Talent in diesem Kreise war der Kurländer Lindner, der das Oppositionsblatt mit Gewandtheit leitete und die poli— tische Arbeit als ernsten Lebensberuf betrieb. Aber gerade in seinen Auf— sätzen bekundete sich am deutlichsten jene politische Torheit, welche den deutschen Liberalismus nunmehr von einem Fehler zum andern treiben sollte: die schnöde Undankbarkeit gegen Preußen. Es ist nicht wahr, was die Parteihistoriker erzählen, daß die Verunglimpfung des preußischen Staats erst seit der Demagogenverfolgung im liberalen Lager üblich ge— worden sei. Sogleich nach dem Frieden, als der Degen von Belle Alliance kaum erst wieder in die Scheide fuhr, setzten diese Kleinen den Staat, dem sie ihre Freiheit, ihr Alles dankten, auf die Anklagebank und überschütteten ihn mit Vorwürfen, in einem Augenblicke, da er durch sein Wehrgesetz und sein Zollgesetz den festen Grund legte für die Einheit des Vaterlandes. Luden hatte bereits in dem Handbuche der Staatsweisheit die preußische Monarchie immer als abschreckendes Beispiel aufgeführt und mit dem be— kannten Freiheitsdünkel des englischen Hannoveraners über den Militär— staat abgeurteilt. Jetzt brachte seine Nemesis Gedichte zum Preise des Hauses Wittelsbach und Artikel zur Verteidigung der sächsischen Politik von 1813; für Preußen hatte sie nur Tadel und eine prahlerische Ge- ringschätzung, die in jedem anderen Volke allgemeines Gelächter erregt hätte: vor den Musen in Thüringen, meinte sie stolz, haben die Musen der Mark niemals bestehen mögen, nun wollen wir doch sehen, ob die preußische Politik ebenso Großes leistet wie die thüringische! Darum ward auch der ehrliche Liberale Benzenberg als der Finsterling unter den deut- schen Publizisten verlästert; man konnte ihm nicht verzeihen, daß er ein treuer Preuße war und über die Gesetze dieses Staates, welche der Je- nenser Professor niemals eines Blickes würdigte, mit Sachkenntnis schrieb. Nun gar Oken, ein Vorderösterreicher aus der Ortenau, betrachtete die