424 II. 7. Die Burschenschaft. lichkeit des Vaterlandes auf der Burschenkneipe gewonnen; aber der poli— tische Idealismus jener Tage war zu gestaltlos, um eine bestimmte Ge— sinnung hervorzurufen. Der ersten Generation der Burschenschaft ge— hörten neben einzelnen liberalen Parteiführern, wie H. von Gagern, auch viele Männer an, welche späterhin eine streng-konservative Richtung ein— schlugen, so Leo, Stahl, W. Menzel, Jarke, Hengstenberg. Die wort— reiche Schwärmerei, die unklare Sehnsucht und die beständige Verwechs— lung von Schein und Wirklichkeit waren der Entwicklung des politischen Talents nicht günstig. Im großen Durchschnitt sind aus der Burschen— schaft mehr Gelehrte und Schriftsteller hervorgegangen, aus den Reihen ihrer späteren Gegner, der Korps, mehr Staatsmänner. Vorderhand war die Burschenschaft in Jena obenauf. Ihr Ruhm ward auf allen Universitäten verkündet und lockte neue Genossen herbei, so daß sich die Studentenzahl in kurzer Zeit verdoppelte. Auch an an— deren Hochschulen taten sich Burschenschaften auf, so in Gießen und in Tübingen, wo die Stiftler schon 1813 einen Tugendbund zur Bekämpfung der akademischen Roheit gebildet hatten; und ganz von selbst erwachte der Wunsch die neue Gemeinschaft auf einer feierlichen Zusammenkunft aller deutschen Burschen zu befestigen. In solchen freien, über die Grenzen des Einzelstaats hinausreichenden sozialen Verbindungen findet der Ein— heitsdrang zerteilter Völker seinen natürlichen Ausdruck; in Deutschland wie in Italien sind die Kongresse der Gelehrten, der Künstler, der Ge— werbtreibenden wie Sturmvögel den blutigen Einheitskämpfen vorausge— zogen. Unter den Deutschen schritten die Studenten allen voran, und nichts bezeichnet so deutlich das harmlose politische Stilleben jener Tage. Lange bevor die Männer auf den Gedanken kamen, sich über ihre ernsten gemeinsamen Interessen zu verständigen, regte sich in der Jugend der Drang, die gemeinsamen Träume und Hoffnungen auszutauschen, in phan— tastischem Spiele der idealen Einheit des Vaterlandes froh zu werden. — Das Jubelfest der Reformation erweckte überall unter den Prote— stanten ein frohes Gefühl dankbaren Stolzes; auch Goethe sang in diesen Tagen: „ich will in Kunst und Wissenschaft wie immer protestieren“. Die Studentenschaft ward von dieser Stimmung der Zeit um so stärker er— griffen, da ihr der christlich-protestantische Enthusiasmus des Befreiungs- krieges noch in der Seele nachzitterte. Als der Gedanke eines großen Verbrüderungsfestes der deutschen Burschen zuerst in Jahns Kreise auf- getaucht war, beschloß die Jenenser Burschenschaft den Versammlungstag auf den 18. „des Siegesmonds“ 1817 zu verlegen um damit zugleich das Jubelfest der Reformation und die übliche Jahresfeier der Leipziger Schlacht zu verbinden. Armin, Luther, Scharnhorst, alle die hohen Ge- stalten der Führer des Deutschtums gegen das welsche Wesen flossen in den