446 II. 8. Der Aachener Kongreß. tionellen Königtums ehrlich anerkannt. Jawohl, sagte ein Heißsporn der Ultras, Matthieu de Montmorency zu einem Liberalen, Ihr liebt die Legitimität ebenso wie wir die Charte lieben! Mit jeder Waffe be— kämpfte Graf Artois die besonnene Politik seines königlichen Bruders; Vitrolles, einer der Vertrauten des Pavillon Marsan, sendete im Mai 1818 zum dritten Male eine geheime Denkschrift an die vier Mächte und beschwor sie, durch den Sturz des Ministeriums Richelieu die Revolution abzuwenden. Voll blinden Hasses gegen die gemäßigte Regierung trugen die Ultras kein Bedenken, sich gelegentlich selbst mit den Bonapartisten und den Radikalen zu verbinden. An der Mittelpartei der Doktrinäre fand das Kabinett auch keine Stütze, obwohl sie die Versöhnung von „Erblichkeit und Freiheit“ auf ihr Banner geschrieben hatte; nach der unfehlbaren Theorie der Nachfolger Montesquieus sollte ja das Mißtrauen gegen die Regierung die belebende Kraft jedes freien Staates sein, und nichts er— schien schimpflicher als der Name einer ministeriellen Partei. Im Volke wurden unheimliche Gerüchte von der bevorstehenden Herstellung der Zünfte, der Zehnten und Frohnden umhergetragen; die Käufer der Natio— nalgüter fühlten sich ihrer Habe nicht sicher, da die Emigranten stürmisch ihren Familienbesitz zurückforderten und über ihre Entschädigung noch nichts beschlossen war. Dazu das unterirdische Treiben der geheimen Gesell— schaften und der täglich wachsende Zauber der napoleonischen Legende. Rasch nacheinander kehrten drei der Getreuen von St. Helena, O'Meara, Las Cases und Gourgaud nach Europa zurück. Las Cases verweilte lange in Deutschland und begann mit den Beauharnais einen verdächtigen Ver— kehr, der für jedermann offenkundig war, nur nicht für die bonapartistische Münchener Polizei. Dann erschienen die ersten Bände jener Memoiren— literatur, welche die Rückkehr der Napoleons vorbereiten sollte, unge— heuerliche Lügen, gigantisch wie der Mann, dem sie galten; und mit Ent— setzen vernahm Frankreich die Schauergeschichten von den namenlosen Leiden des Gefangenen, dem in Wahrheit nichts fehlte als die Freiheit, von der teuflischen Grausamkeit seines Wächters, des Gouverneurs Hudson Lowe, der in Wahrheit nur etwas pedantisch, aber ehrenhaft seine Sol— datenpflicht erfüllte. Seit Handel und Wandel sich wieder erholten, waren die Opfer und die Greuel der Kriegszeit bald vergessen; der Anblick der fremden Bajonette rief die Erinnerung an die Glorie der kaiserlichen Adler wach. Neben der törichten Hoffart des heimgekehrten alten Adels erschien der gekrönte Plebejer wie ein demokratischer Held, und jetzt erfuhr man aus den rührenden Gesprächen von der Felseninsel, wie inbrünstig er sein Frankreich geliebt und wie er der Nation auch die Freiheit hatte schenken wollen, wenn nur nicht die Feindseligkeit boshafter Nachbarn dem Fried— fertigen immer wieder das Schwert in die Hand gezwungen hätte. Unter— dessen warf Beranger seine feurigen Kaiserlieder unter das Volk, und es