Vertrag über die französischen Schulden. 449 Parteien unzweifelhaft sofort erlegen, und was sollte werden, wenn die Ultras wieder ans Ruder kamen? Daher erklärte sich selbst Hardenberg, auf die flehentlichen Bitten des französischen Gesandten, endlich bereit in ein Abkommen zu willigen, wenn die beteiligten deutschen Höfe zustimmten; nur dürfe die Herabsetzung der Forderungen ein billiges Maß nicht überschreiten, weil die Unzufrieden— heit der enttäuschten Gläubiger, namentlich in den neugewonnenen deutschen Ländern ernstlich zu fürchten sei.“) Aber inzwischen hatte Zar Alexander wieder einmal auf Kosten der Bundesgenossen seine Großmut leuchten lassen und dem Tuilerienhofe eigenmächtig die Herabminderung der Rech— nung versprochen. Er setzte durch, daß die Entscheidung in die Hände der Pariser Gesandtenkonferenz gelegt wurde, und hier befand sich Preußen wieder in der nämlichen ungünstigen Lage wie auf den beiden Friedens— kongressen: sein Gesandter stand Einer gegen Drei, als der einzige Hei— schende unter lauter Nachgiebigen, und erreichte nur soviel, daß seine Verbündeten die Vorschläge Richelieus, der eine Zahlung von 200 Mill. anbot, nicht ohne Weiteres annahmen. Durch Wellingtons Vermittlung kam endlich am 25. April 1818 ein Vertrag zustande, kraft dessen die Krone Frankreich für alle noch unerledigten Forderungen 240,8 Mill. Fr. in Rentenbriefen (eine Rente von 12,04 Mill.) binnen Jahresfrist zahlen sollte. Bei der Verteilung der Summe nahm Wellington, dem alt— englischen Brauche getreu, für sein Land sofort ein Viertel der 12 Mill. Rente in Anspruch, so daß die englischen Gläubiger fast vollständig be— friedigt wurden, während die deutschen sich mit einem Sechstel ihrer For— derungen begnügen mußten. Dergestalt ward eine feierliche Versprechung des Pariser Friedensvertrags durch einen Machtspruch Englands, Rußlands und Osterreichs, gegen Preußens Widerspruch und ohne jede Anfrage bei den kleinen Höfen, großenteils zurückgenommen. Frankreichs auswärtige Gläubiger erlitten eine Einbuße von 800 Mill. Die Geschädigten klagten laut, die liberale Presse Deutschlands erging sich in bitteren Vorwürfen gegen die „heilige Allianz“, die man stets für die Taten des Vier— bundes verantwortlich machte. Wieder und wieder mußte die deutsche Nation erfahren, daß sie die Sicherung ihrer Rechte allein von ihrer eigenen Macht, nicht von dem guten Willen ihrer Verbündeten erwarten durfte. Mit alledem war die Großmut des Zaren gegen die Bourbonen noch nicht erschöpft. Richelieu hegte seit langem den Wunsch, daß mit der Okkupation auch die in der Tat unnatürliche, demütigende Aus— nahmestellung, welche Frankreich jetzt noch unter den großen Mächten ein- nahm, ein Ende finden würde. Er hoffte, der Aachener Kongreß werde die Krone Frankreich zum Eintritt in den Vierbund einladen und also die alte Gleichberechtigung der Großmächte wieder herstellen. Unbedenklich *7) Krusemarks Bericht, 27. Sept.; Weisung Hardenbergs an Krusemark, 23. Nov. 1817. v. Treitschke, Deutsche Geschichte. II. 29