Zehnter Abschnitt. Der Umschwung am preußischen Hofe. Auf den Zorn der liberalen Parteien war Fürst Metternich von Haus aus gefaßt, als er, nach seinem bescheidenen Geständnis, „in drei Wochen vollendet hatte, was dreißig Jahre der Revolution nicht zu Stande bringen konnten“. Den Charakter des deutschen Volks kennen zu lernen, hatte er freilich nie der Mühe wert gehalten; er ahnte nicht, wie hoch diese idea— listische Nation die Freiheit des Gedankens schätzte und wie furchtbar sie gerade durch einen Angriff auf die Presse und die Hochschulen gekränkt werden mußte. Die Karlsbader Beschlüsse verwirrten und verwüsteten die öffentliche Meinung von Grund aus. Die Hoffnung auf die friedliche Fortbildung der deutschen Dinge ging auch den Gemäßigten verloren. Republikanische Gedanken, denen in unserer monarchischen Geschichte jeder Boden fehlte, begannen überhand zu nehmen, seit Deutschlands Fürsten als die verschworenen Feinde der Volksfreiheit auftraten; die bisher nur theoretische Begeisterung für den großen Freistaat Amerikas ward bei Vielen zur praktischen Parteigesinnung. Das wüste Lied der Unbedingten „Fürsten zum Land hinaus!“ drang jetzt erst in weitere Kreise. Die Nation ward irr an ihrem Staate, an ihren schönsten historischen Erinnerungen. Die edle vaterländische Begeisterung der letzten Jahre ver— rauchte. Von aller Lippen klang die bittere Klage, das Blut von Leipzig und Belle Alliance sei umsonst geflossen. Wenn die deutschen Liberalen vorher nur halb unbewußt einzelne jakobinische Grundsätze bei sich auf— genommen hatten, so zogen sie jetzt, da man ihnen unter dem Namen des alten deutschen Rechtes Druck und Verfolgung bot, mit fliegenden Fahnen in das französische Lager hinüber und berauschten sich an einer konstitu— tionellen Theorie, welche das republikanische Ideal kaum noch notdürftig verbarg. Die Sieger sammelten begierig jeden Brocken politischer Afterweis- heit, der von dem Tische der Besiegten abfiel; die deutsche liberale Politik beugte sich vor den französischen Ideen so knechtisch wie einst die Dichtung in den Tagen Ludwigs XIV. Die neuen, aus den Tiefen des germa- nischen Lebens geschöpften Gedanken der historischen Rechtsschule fielen in Mißachtung, und wer die Verirrungen der entarteten konservativen Partei